: Klug und großartig!
■ So viel intelligenten Klamauk wie bei Hans Liberg bekommt man selten zu sehen
Da kommt so ein Holländer auf die Bühne, setzt sich an den Flügel, fängt an zu spielen. Nach zehn Minuten tobt das Publikum, und den Kritikern steht der Schweiß auf der Stirn: Wo sind bloß die Notizblöcke der Kollegen, in die man schulen könnte? Was hat er denn nun da wieder gespielt? Doch schnell stellt sich Erleichterung ein: Bei Hans Liberg ist es nicht nötig, eine Song-Liste zu erstellen.
Jetzt auch für Frauen ist der ziemlich sinnlose Titel des Programms, das Liberg zur Zeit im Schmidts Tivoli aufführt. Außer auf dem Flügel spielt er da auch Brummtopf, Saz und Sandläufertrommel und hechelt innerhalb von zweieinhalb Stunden eine riesige Musikliteratur durch: von Bach über Debussy bis zu Prince. Ohne jede Ehrfurcht verkettet, entstellt, korrigiert und modernisiert der studierte Musikwissenschaftler die Melodien – und erläutert sie. Etwa so: „Ein Flamenco ist ein rosaroter Vogel, der auf einem Bein stehen und dabei noch ziemlich gut Gitarre spielen kann.“
Aber auch richtige Witze machen kann der Liberg, zum Beispiel über das, was Kohl 1934 in Amsterdam sagte, als er zum ersten Mal das Denkmal von Christoph Willibald Goethe sah. Ziemlich anspruchsvolle Unterhaltung also, und Libergs größte Kunst ist, daß er dabei nie mit Wissen protzt. Zudem ist er ein hervorragender Instrumentalist und Sänger. Als „etruskisch, Jugendstil, Sie wissen schon, so 14. Jahrhundert“ erläutert er eine Melodie. Welche Definition träfe Libergs Show wohl besser?
„Wenn Sie nachher heimgehen, dann vergessen Sie mich bitte nicht. Denken Sie über diesen Abend nach – und über gestern abend und vorgestern abend“, gibt er seinem Publikum mit auf den Weg (und spielt dazu natürlich irgendwelche schrägen Sachen). „Und dann vergleichen Sie bitte diese Abende.“ Nachdenken ist hier zum Glück nicht nötig: So viel großartigen, intelligenten Klamauk bekommt man nur sehr, sehr selten zu erleben.
Nele-Marie Brüdgam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen