Wahlen in bereinigter politischer Landschaft

■ Kaum Auswahl bei den iranischen Parlamentswahlen im März: Teilnahmeversuche liberaler Gruppen sind gescheitert

Berlin (taz) – Kurz vor dem heutigen Einschreibeschluß für Kandidaten zu den iranischen Parlamentswahlen am 8. März herrschte in Teheran Wahlkampfstimmung. Zum Jahresbeginn erschien in zwei regierungstreuen Zeitungen ein Aufruf 16 prominenter Politiker zugunsten des amtierenden Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Drei seiner Stellvertreter, zehn Minister, die Chefs von Zentralbank und Sportbehörde sowie Teherans Oberbürgermeister Gholam Hossein Karbastschi legten den Wählern dar, daß nur die Unterstützung des Staatschefs eine Bewahrung „des ideologischen Kurses der Revolution Chomeinis“ garantiere. Sie erklärten, Iran werde „von ökonomischen Feinden im Innern“ und „von Rückständigkeit“ bedroht. – Eine Spitze gegen die konservative Parlamentsmehrheit um deren Sprecher Ali Akbar Nateq-Nuri, die die wirtschaftliche Liberalisierungspolitik Rafsandschanis kräftig gebremst hatte. Gleichzeitig präsentierten die 16 eine eigene Kandidatenliste.

Mit ihrer Aktion brachte die Gruppe auch ihre Frustration darüber zum Ausdruck, daß Nateq- Nuris „Gesellschaft der kämpferischen Geistlichkeit“ (Ruhaniyat-e mobarez) versucht hatte, sie bei der angestrebten Aufstellung einer Einheitsliste über den Tisch zu ziehen. Im Gegenzug warfen 150 Abgeordnete den 16 in einem offenen Brief „Einmischung der Exekutive in den Wahlablauf“ vor.

Doch der pluralistische Anschein trügt. Die Vorwahllandschaft Irans ist längst bereinigt. Außer den rivalisierenden Zerfallsprodukten der einst als „Gemäßigte“ bezeichneten Geistlichen-Fraktion beteiligt sich keine der zahlreichen legalen und halblegalen Grüppchen an der Wahl. Daran haben auch Beschwörungen von Regimevertretern nichts geändert, die Wahlen stünden „allen Gruppen“ offen. Hörte man genauer hin, waren damit nur jene Kräfte gemeint, die die Herrschaft der Mullahs nicht in Frage stellen.

Das tut auch die „Unabhängigkeitspartei Irans“ nicht, die der Ruhaniyat-Aussteiger Said Redschai-Chorasani Mitte Januar ins Leben rief – um sofort zu verkünden, man ziele nicht auf Wählerstimmen und wolle deshalb erst nach den Wahlen aktiv werden. Selbst die wichtigste Gruppierung der islamistischen „Linken“, die „Versammlung der kämpferischen Geistlichen“ (Ruhaniyun-e mobarez) um Ex-Innenminister Ali Akbar Mohtaschemi, hat keine eigene Liste aufgestellt. Sie fühlt sich vom „Ruhaniyat“ an den Rand gedrängt, das vor allem den Wächterrat beherrscht, das oberste Kontrollgremium der Islamischen Republik, das auch über die Zulassung der Parlamentsanwärter entscheidet. Schon bei früheren Wahlen hatte der Rat diese Befugnis genutzt, um alle nichtlinientreuen Kandidaten durchs Sieb fallen zu lassen. Verärgert meinte Ruhaniyun-Sekretär Mehdi Karrobi, die „Rechte“ tue alles dafür, ein „ruhiges und problemloses Parlament“ zu bekommen. So kandidieren neben den Rafsandschani- und den Nateq-Nuri-Leuten nur sogenannte Unabhängige, darunter Einzelpersonen der Ruhaniyun und der kleinen „linksislamistischen“ „Organisation der Mudschaheddin der Islamischen Revolution“.

Die einzigen wirklichen in Iran aktiven Oppositionsgruppen aus dem liberal-islamischen Lager haben ihre Teilnahmeversuche aufgegeben, zuletzt die „Nationale Front“ und die „Freiheitsbewegung“. Sie wollten am 10. Januar in Teheran auf einer Pressekonferenz eine gemeinsame Liste ankündigen, aber das wurde von den Behörden unterbunden. „Sie warnten uns, daß es wegen möglicher Zwischenfälle besser wäre, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen“, so ihr Sprecher Ezzatollah Sahabi. Ihr Vertreter in Paris erklärte, daß ganze sei ein „Test“ gewesen, ob das Regime bereit sei, seine Gegner zur Wahl zuzulassen.

So ist der längst entschieden. Nur ein – unwahrscheinliches – Protestvotum für die Rafsandschani-Fraktion könnte Nateq-Nuri noch Ärger bereiten. Geht alles gut, hält er alle Karten für die Präsidentenwahl am Jahresende in der Hand. Rafsandschani darf nach seiner zweiten Amtszeit nicht mehr kandidieren. Thomas Ruttig