„Der dritte Weg bleibt Sumpfgelände“

Sie lebt: Die Deutsche Kommunistische Partei feierte ihren 13. Parteitag am Wochenende  ■ Aus Dortmund Bernd Neubacher

Samstag früh auf der Autobahn zwischen Wuppertal und Dortmund: Heinz-Peter Brenner, Mitglied des Parteivorstandes der Deutschen Kommunistischen Partei, zählt auf, was der Parteitag an diesem Wochenende beschließen wird. Das vierzehntägig erscheinende Parteiorgan UZ (Unsere Zeit) wird ab Sommer zur Wochenzeitung. Heinz Stehr, einer der beiden Parteisprecher, wird Vorsitzender.

Die DKP verabschiedet ferner das Aktionsprogramm „Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozial- und Demokratieabbau!“ Wie die Partei etwa für die „grundsätzliche Revision des Maastrichter Vertrages“ sorgen soll, wird vorerst offen bleiben. Die Zahl der Mitglieder ist in den letzten Jahren auf 6.121 gesunken. Die Wahlergebnisse auf Landesebene haben sich im Durchschnitt bei soliden 0,1 Prozent eingependelt.

Dabei war über die Hälfte der Kandidaten, die zuletzt in Nordrhein-Westfalen an den Start gingen, älter als 60 Jahre. „Der Partei fehlt offenbar der Nachwuchs“, hat sogar der Verfassungsschutz registriert. Und zur Bundestagswahl trat die DKP gar nicht erst an, sie unterstützte lieber die PDS. Warum beide nicht zusammengehen? „Weißt du“, erklärt Brenner, 49, „wenn die Hälfte einer Fußballelf aus einem Verein austritt und nur noch Tipp-Kick spielen will, weil die Mannschaft ein wichtiges Turnier verloren hat, dann würdest du doch auch nicht einen gemeinsamen Verein gründen, oder?“

„Gebt den Reichen Zunder“, steht auf DKP-Zündholzschachteln

Die DKP-Parteizentrale in der Essener Hofnungsstraße hat sich echt etwas einfallen lassen. 53 kommunistische Gäste aus 32 Ländern sind gekommen; Genossen aus dem Irak und aus China bezeugen den 238 Delegierten im Revierpark Wischlingen ebenso ihre Solidarität wie eine Vertretung aus Burundi. Rim Sung Pil, olivuniformierter Leiter der Delegation aus Nordkorea, muß an diesem Samstag von 10 bis 22 Uhr über seinem Mineralwasser dämmern, weil sein Landsmann ihm nur ab und an nur stichwortartig das Wichtigste der Reden übersetzt.

Arnold Bruns im Foyer hat das schon mehr los. An seinem Stand bringt der Bonner Buchhändler Restbestände des ehemaligen DDR-Verlages Pahl-Rugenstein ebenso unter die Leute wie das neue Kochbuch von Markus Wolf. Ebenso die „Erinnerungen“ Andrej Gromykos sowie die CD „Dem Morgenrot entgegen“ mit den Original-Hymnen des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates.

Ginge es nach der reinen Lehre, dürfte Bruns hier gar nicht sitzen, schließlich hat der Unternehmer vier lohnabhängige Beschäftigte unter sich, er verzeichnet einen Jahresumsatz von rund 700.000 Mark im Jahr – eine beträchtliche Kapitalakkumulation. DKP- Mitglied Bruns ist überzeugt: „Es war ein großer Fehler der sozialistischen Länder, den Dienstleistungssektor sowie die klein- und mittelständischen Betriebe zu verstaatlichen.“

„Der dritte Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus bleibt Sumpfgelände“, stellt der künftige Vorsitzende Heinz Stehr soeben im Sitzungssaal fest. Er klagt in seinem Referat „eine Zukunft der Menschheit im Kommunismus“ ein.

„Gebt den Reichen Zunder“, steht auf den Streichholzbriefchen, die Helmut Freytag neben dem Stand von Arnold Bruns verkauft.

Manches Schnäppchen aus dem Devotionalien-Keller

„Die Genossen bringen, was sie noch so im Keller haben“, berichtet der 64jährige und deutet in seine Auslage mit DKP-Devotionalien jedweder Art: „Da ist so manches Schnäppchen dabei.“ Freytag kramt eine Karl-Marx- Schmuckmappe hervor, mit Faksimiles der Geburtsurkunde, des Ahnenstammbaums und der Schulzeugnisse des Mannes aus Trier. 20 Mark kostet der Spaß, im Umschlag steht ein Wort Lenins: „Der Kommunismus ist allmächtig, weil er wahr ist.“ Solch Tinnef geht weg wie warme Semmeln, doch der langjährige Betriebsrat der ehemaligen Krupp-Zeche „Helene“ in Essen verdient damit keinen Pfennig: „Alles für die Partei.“ Die Diskussion der Partei im Saal ist mittlerweile am Siedepunkt. Der Bochumer Kreisverband geißelt den Entwurf des Aktionsprogramms als „reformistisch“. Denn das Papier, so heißt es unter anderem zur Begründung, verwendet bloß dreimal das Wort „Arbeiterklasse“.

Heinz-Peter Brenner, als Mitglied der Kommission zur programmatischen Erneuerung an der Formulierung beteiligt, hält dann dagegen: „Das ist das Aktionsprogramm einer revolutionären kommunistischen Partei und nicht irgendeines linken Haufens.“

Rim Sung Pil malt große Kreise auf seine Tischvorlage. Das Aktionsprogramm wird schließlich verabschiedet. Die Partei hat damit eine wichtige Hürde gemeistert, um auf dem nächsten Parteitag 1998 ein neues Programm zu beschließen, das dem Kollaps des realen Sozialismus Rechnung trägt: das derzeitig gültige Programm datiert noch von 1978.