Ken Saro-Wiwa: Gegen das Vergessen

■ Eine Neuveröffentlichung vermittelt die gängigsten Erkenntnisse über den hingerichteten Schriftsteller und den Ogoni-Konflikt um die Ölförderung in Nigeria

Keine drei Monate ist es her, seit der nigerianische Schriftsteller und Bürgerrechtler Ken Saro- Wiwa am Galgen hingerichtet wurde. Die internationale Aufregung über diese eklatante Menschenrechtsverletzung durch ein diktatorisches Regime war kurz; sie bewirkte relativ wenig und erlosch schnell. Heute sind wieder nur diejenigen Organisationen an den Entwicklungen in Nigeria interessiert, die sich schon seit Jahren mit den Verhältnissen unter der nigerianischen Militärdiktatur und mit dem Protest des nigerianischen Ogoni-Volkes gegen die Bedingungen der Ölförderung durch „Shell“ in ihrem Land befassen.

Wer nicht so schnell vergessen möchte, findet in der Neuerscheinung des Lamuv Verlages „Zum Beispiel: Ken Saro-Wiwa“ von Manfred Lohmeier die wesentlichen Informationen über den Ogoni-Konflikt zusammengestellt, die im November letzten Jahres bruchstückhaft durch die deutschen Medien geisterten. Der Inhalt reicht von Beschreibungen der Ölschäden im Ogoni-Land über die Kritik internationaler Beobachter an Ken Saro-Wiwas Prozeß bis zu Erklärungen des nigerianischen Schriftstellers Wole Soyinka. Dazu kommt eine ausführliche Wiedergabe der inhaltlichen Differenzen zwischen dem Ölkonzern Shell und der Umweltorganisation Greenpeace sowie einige Zusätze, vor allem eine höchst beeindruckende persönliche Würdigung Ken Saro-Wiwas von Willfried Feuser, der seit den 60er Jahren mit der nigerianischen Literaturszene vertraut ist und Saro- Wiwa seit 1962 kannte.

Leider umfaßt der Beitrag Feusers, der durch seine Originalität besticht, nur sieben der 100 Textseiten; ansonsten geht der Band kaum über den bereits in den Medien publizierten Kenntnisstand über den Ogoni-Konflikt hinaus. Einige zentrale Themen werden nicht umfassend genug dargestellt, zum Beispiel die Spannungen im Ogoni-Land im Jahre 1993 und der darauffolgende Rückzug des Shell- Konzerns aus dem Gebiet. Ferner hat der Ogoni-Konflikt Facetten, deren intensivere Behandlung über den Horizont von Printmedien hinausgeht, nicht aber über den eines Buchverlages, und die eine genauere Betrachtung verdient hätten. Zum Beispiel die Einzelheiten der Biographie Ken Saro-Wiwas, die in intimer Weise mit der wechselvollen Geschichte des Niger-Deltas seit der Unabhängigkeit Nigerias 1960 und insbesondere seit dem mörderischen Biafra-Sezessionskrieg 1967–1970 verbunden ist. Oder der historische und soziale Kontext der Ölförderung, die älter ist als die Republik Nigeria und zumindest am Anfang wie eine regionale Fortsetzung der britischen Kolonialherrschaft wirkte – was einiges über die Unternehmenskultur bei den Förderfirmen aussagt, über die zwielichtige Rolle des nigerianischen Zentralstaates im Konflikt zwischen Ölkonzernen und einheimischen Bevölkerungen und über die Formen dieses Konfliktes selbst. Oder eine Darstellung der vielen Völker des Niger-Deltas, die nicht alle Ogoni sind und deren Horizont sich keineswegs nur auf die Ölindustrie beschränkt.

Bei der gebotenen Eile der Buchveröffentlichung ist es sicher schwer, auf solche Aspekte einzugehen. Andererseits müßte gerade das drohende Vergessen eines aktuellen Themas Anlaß sein, tiefer in die Problematik einzudringen. Sonst bleibt das Verlagsprodukt so kurzlebig wie das öffentliche Gedächtnis. Dominic Johnson

Manfred Lohmeier: „Zum Beispiel Ken Saro-Wiwa“. Lamuv Verlag, Göttingen, (April) 1996, 112 Seiten, 12 DM