piwik no script img

Humboldt-Uni will den „Fall Krelle“ untersuchen

■ Bundesarchiv zweifelt an Krelles Aussage, nie SS-Mitglied gewesen zu sein

Die Humboldt-Universität sieht bezüglich der Vorwürfe gegen den Wirtschaftswissenschaftler und Ehrendoktor Wilhelm Krelle „offensichtlichen Klärungsbedarf“. Die Beschuldigungen gegen Krelle sollen von der Universität durch Anfragen beim Bundesarchiv und bei Historikern untersucht werden. Das erklärte gestern der Leiter des Präsidialamtes, Andreas Kreßler. Inzwischen sind Zweifel an der Erklärung Krelles aufgetaucht, er sei niemals Mitglied der SS gewesen. Gegen Krelle hatte die StudentInnenvertretung der Humboldt-Universität, der RefRat, den Vorwurf erhoben, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Krelle hatte das auf Anfrage zurückgewiesen (die taz berichtete).

Von Krelles Tätigkeit in der Waffen-SS sei die Universität bereits vor Verleihung der Ehrendoktorwürde informiert gewesen, bestätigte Kreßler eine Aussage Krelles. Dieser habe erklärt, er habe als Angehöriger des Generalstabs des Heeres „Tätigkeiten gegenüber der Waffen-SS“ ausgeführt. Er sei als „Angehöriger des Generalstabs des Heeres zur Waffen-SS abkommandiert worden, weil diese keinen eigenen Generalstab besaß“. Die Universität habe die Erklärung Krelles akzeptiert, er sei trotz seines Dienstes in der Waffen-SS „niemals Mitglied der SS, SA oder NSDAP gewesen“.

Diese Aussage allerdings wird vom zuständigen Referenten des Bundesarchivs in Kornelimünster, Meentz, bezweifelt. Denn eine „Führerstellenbesetzung“, die der RefRat nach eigenen Aussagen aus dem Berlin Document Center erhalten hat und die der taz vorliegt, führt Krelle als „Ia“ mit dem Dienstgrad „Stubaf“ – „Sturmbannführer“. Mentz dazu: „Wenn er Sturmbannführer bei der Waffen-SS war, war er Mitglied der SS.“

Diese Unterlagen des RefRats erfüllen aber nach Meinung des Präsidialamtes „nicht die mindeste Anforderung an eine Datenquelle“. Bisher hätten die Studierenden nur eine Kopie vorgelegt. Nun gelte es, neue Dokumente zu suchen und diese Unterlagen zu interpretieren. Vor der Verleihung der Ehrendoktorwürde habe es im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften zwar eine Diskussion gegeben, doch letztlich habe sich die Universität „in Abwägung der Verdienste und in Anerkennung der gesamten Biographie Krelles“ für die Ehrung entschieden. Eine Rücknahme der Ehrung sei zwar „theoretisch möglich“, aber momentan gebe es an den Vorwürfen „überhaupt nichts Präzises“. Bernhard Pötter

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen