Hula-Hoop für Hausfrauen

Das Deutsche Historische Museum zeigt Fotos aus den fünfziger Jahren. Vom damaligen Aufbau Ost zeugen jedoch nur zwei Bilder  ■ Von Constanze von Bullion

Aus!!!“ Die Stimme überschlägt sich. „Aus, aus, aus; das Spiel ist aus!!!“ Plötzlich Totenstille. Der Radioreporter ringt nach Luft. Und dann kommt's: „Das Unvorstellbare ist passiert, 3:2, Deutschland ist Fußballweltmeister 1954!“ Die Lautsprecher in der Fotogalerie des Deutschen Historischen Museums geben ihr Äußerstes. Schließlich geht es um Deutschlands nationale Wiederauferstehung. „Wir sind wieder wer – Die Fifties“ heißt die Fotoausstellung, die vergangene Woche im Zeughaus eröffnet wurde. Sie zeigt die wirtschaftswunderbaren Fifties – natürlich nur im Westen.

Das waren noch Zeiten. Als Westdeutschland für das ganze, geteilte Vaterland stand. Als man den geknechteten Landsleuten Ost per Rias zurufen konnte: „Ihr könnt euch immer auf uns verlassen!“, ohne beim Wort genommen zu werden. Als es noch echte Helden gab, wie den alten Konrad Adenauer, der deutsche Kriegsgefangene aus den Klauen der Russen befreite. Damals störten noch keine lästigen Studenten die Friedhofsruhe der konsumberauschten Republik. Damals wurde gefressen und vergessen. Und es ging jeden Tag bergauf.

„Wohlstand für alle“ hieß die Programmschrift von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Der feiste Zigarrenraucher, Symbolfigur deutscher Aufbauwut, spendete Trost nach ungemütlichen Nachkriegsjahren. Modewelle, Kaufwelle und Reisewelle schwappten in die neureich dekorierten Wohnzimmer. Perlonstrümpfe und Petticoats, schnelle Vespas und seichte Melodiefilme waren angesagt. In holzgetäfelten Fernsehapparaten trällerte Conny Froboess heitere Belanglosigkeiten: bieder, blauäugig und bigott. Es war die große Zeit der Kleinkarierten – und die große Zeit der CDU.

Was wäre aus den Wessis geworden ohne die Hilfe der „amerikanischen Freunde“, ohne Carepakete und Marshallplan? Milliarden steckten die ehemaligen Besatzer in den Wiederaufbau der Westzonen, nahmen die blitzbekehrten Kriegstreiber 1955 sogar in die Nato auf. Und die unverdient Beschenkten gaben freudig zurück: Stoisch wie einst hinterm „Führer“ standen sie nun zur antikommunistischen Doktrin der Westalliierten. Wen störte es schon, daß in Arztpraxen und Schreibstuben, auf Richter- und Lehrstühlen die braune Elite den Zeitenwechsel aussaß? Wen kümmerte es, daß Adenauers Staatssekretär Hans Globke 1935 die Nürnberger Rassengesetze kommentiert hatte? Für Miesepeter war in der jungen Bundesrepublik kein Platz.

Bombenstimmung verbreitet folgerichtig die Fotoausstellung im Zeughaus. Da winken Wilmersdorfer Witwen mit Cocktailhäppchen in die Kamera, schwenken dralle Hausfrauen Hula-Hoop- Reifen im KaDeWe, werden riesige Bananenberge unter dem Berliner Funkturm gehortet.

Menschentrauben vor einem riesigen Thunfisch in Düsseldorf. Glückliche Pärchen bei der Boogie-Woogie-Meisterschaft in Düsseldorf. Die Wahl der Beinkönigin in Düsseldorf. Nicht zu vergessen das Schützenfest in, wir ahnen es schon – genau. Vielleicht sollte man die Ausstellung einfach „Die Fifties in Düsseldorf“ nennen. Dann wäre wenigstens klar, warum von der DDR so gut wie nichts zu sehen ist. Haben die Aussteller im Eifer ihrer Studien übersehen, daß der Kalte Krieg inzwischen vorbei ist? Wußten sie nicht, daß auch die DDR in den Fünfzigern ihr Wirtschaftswunder beschwor – wenn auch mit lausigem Erfolg? Schon mal was von vergleichender Geschichtsforschung gehört? Vielleicht liegt die einseitige Berichterstattung ja daran, daß es im Staate Walter Ulbrichts noch keine Fotoapparate gab.

Wenn doch, dann ist es wohl nur durch hartnäckige Ignoranz der Lebensumstände „drüben“ zu erklären, daß die Fünfziger in der DDR mit ganzen zwei Fotos abgehakt werden. Eines davon ist ohnehin weltberühmt: der Steinwurf eines Ostberliners auf russische Panzer am 17. Juni 1953. Das Schulbuch läßt grüßen.

„Wir sind wieder wer – Die Fifties“. Bis 9. April, Deutsches Historisches Museum, Unter den Linden 2, Mitte