„Die goldenen Zeiten der Banken sind vorbei“

■ Interview mit Frank Wolf (33), Fachsekretär Banken bei der Gewerkschaft HBV, zum geplanten Abbau von 1.900 Arbeitsplätzen bei der Bankgesellschaft. Keine Zuwächse mehr

taz: Die Bankgesellschaft Berlin hat den Abbau von 1.900 Arbeitsplätzen innerhalb der nächsten drei Jahre angekündigt. Bislang galt das Bankgewerbe als krisenfest.

Frank Wolf: Sicherlich müssen die Banken Umstrukturierungsmaßnahmen durchführen und ihre Organisation straffen. Wir sind aber der Auffassung, daß die Banken den Personalabbau nicht nötig hätten aufgrund der guten Bilanzen. Wenn sie so kreativ wären, wie sie sich in der Werbung darstellen, dann könnten sie auch die von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer ohne Probleme woanders beschäftigen. Man müßte diese bloß fortbilden und qualifizieren. Statt dessen wählen die Banken die Holzhackermethode und bauen das Personal durch Vor-Vor-Ruhestandsangebote, Auflösungsverträge und natürliche Fluktuation ab.

Sind die Bankenvorstände durch die guten Bilanzen der letzten Jahre so behäbig geworden, daß sie einen Strukturwandel verpennt haben?

Nein. Sie sind nicht behäbig geworden. Sicherlich ist der Wettbewerb härter geworden. Die Banken wollen aber einfach die bisherigen Gewinne halten. Dies wollen sie auch durch Reduzierungen bei den Personalkosten erreichen. Welche Rolle spielen neue Technologien wie Homebanking oder EDV am Arbeitsplatz?

Der Einsatz neuer Technologien wie des Geldausgabeautomaten, des Kontoauszugdruckers oder des automatischen Kassentresors hat in den letzten Jahren immens zugenommen. Dadurch sind bereits bundesweit in den letzten zwei Jahren rund 20.000 Arbeitsplätze im Bankgewerbe weggefallen. Das ist bisher bloß nicht aufgefallen, weil es noch keine betriebsbedingten Kündigungen gab. Die Leute sind unauffällig abgebaut worden – auch durch Aufhebungsverträge und die natürliche Fluktuation, die jährlich zwischen fünf und zehn Prozent liegt.

Die goldenen Zeiten für Bankbeamte sind also vorbei?

Auf alle Fälle. Der Wind ist schärfer geworden, und Beamte waren das sowieso nie bei den Privatbanken. Die Banken haben bemerkt, wo die Abbaupotentiale beim Personal stecken, und ziehen das knallhart durch. Das Schlimme ist, daß sie ihre Mitarbeiter ständig im ungewissen lassen. Da gibt es eine Arroganz der Macht. Wir versuchen schon seit letztem Jahr vergeblich, mit der Bankgesellschaft Gespräche zu führen über arbeitsplatzsichernde Maßnahmen, etwa durch Arbeitszeitverkürzung oder Abbau von Überstunden.

Worauf muß man sich im Bankengewerbe einrichten?

Eine Unternehmensberatungsfirma hat Anfang der neunziger Jahre die Branche untersucht und sich das Filialsystem angeschaut und die Struktur der Banken. Die erwarten in den kommenden Jahren einen Abbau von 100.000 Bank-Arbeitsplätzen im Bundesgebiet. Die entscheidenden Veränderungen waren dabei neue Technologien und neue Arbeitsstrukturen in den Banken selber.

Gibt es die Chance, daß mehr ausländische Banken nach Berlin kommen und Arbeitsplätze schaffen?

Unsere Erfahrung ist, daß ausländische Banken hier nur kleinere Niederlassungen einrichten. Ich glaube nicht, daß beispielsweise eine Bank aus England hier groß ein Filialsystem aufbauen wird.

Im Senat wird immer von der Dienstleistungsmetropole gesprochen, die Arbeitsplätze schaffen soll. Teilen sie diesen Optimismus für den Bankbereich?

Nein, da bin ich skeptisch. In einigen Dienstleistungsbereichen wird es sicherlich Zuwächse geben. Aber beim Bankenbereich – das kann ich mir nicht vorstellen. Die Bankenexpansion hatte ihren Höhepunkt 1992, als die Banken in Ostdeutschland bei der Zahl der Filialen expandierten. Inzwischen sind die Kopfstellen der Großbanken in Ostdeutschland so eingerichtet, daß man nicht mehr von Zuwachs sprechen kann. Interview: Gerd Nowakowski