Heldinnen: Ehefrauen beim Japaner Von Claudia Kohlhase

Ihr Mann hat sie hergebracht, sonst wäre sie ja nicht da. Aber immer noch besser beim Japaner als beim Chinesen oder in dieser anderen Eckkneipe. Wenn sie schon mal da ist, muß sie sich wohl auch umschauen und sieht ziemlich viel japanischen Tinnef, aber na ja, es gefällt ihm eben so gut, vor allem das Essen, sagt er. Man wird sehen, was dran ist, und mit Stäbchen kann sie essen, da komme ihr keiner. Da kommt nicht einmal ihr Mann mit, wie eisern sie die Stäbchen hält. Auch mit Stäbchen muß man zupacken können, sonst hätte sie das im übrigen mit dem Japaner nicht auf sich genommen, auch nicht ihrem Mann zuliebe, der mit den Stäbchen immer noch seine liebe Not hat, erstaunlich eigentlich.

Es ist doch sehr komisch, daß sie hier ist. Was hat sie mit japanischem Essen zu tun? Es wird rohen Fisch geben, weil er rohen Fisch bestellt hat, und sie nicht genau wußte, was sie sonst hätte essen sollen. Was soll man hier auch essen. Sie hat noch nie rohen Fisch gegessen, und sie will auch keinen rohen Fisch essen, was soll an rohem Fisch schon dran sein außer innen Nematoden und ähnliche todbringende Infektionsherde. Sie weiß, daß es Untersuchungen gegeben hat, die das hieb- und stichfest belegen. Die Hygiene am Tisch läßt übrigens auch zu wünschen übrig, da sagt sie jetzt mal nichts, weil er sich so aufs Essen freut, aber das wird noch Thema werden müssen.

Oh Gott, der Fisch kommt, wie der schon aussieht, wie kann man so etwas essen, es ist unglaublich. Ihr wird schlecht, und sie muß schnellstens aufs Klo, wo sie sich wie durch ein Wunder nicht erbricht. Zurück am Tisch ist ihr alles endgültig verleidet, mit Müh' und Not erträgt sie das Essen ihres Mannes, wie kann er ihr diesen Anblick zumuten. Sie bestellt sich ein Wasser, das ist zu kalt. Was soll sie jetzt essen, sie hat Hunger, sie friert, und vom Anblick von Mann und Fisch ist ihr Nervensystem vollständig ruiniert.

Am liebsten würde sie nach Hause gehen, aber draußen ist es ähnlich kalt wie hier drinnen, und mit dem Auto ihres Mannes will und kann sie nicht fahren, das war ihr schon immer zu groß, und dann sollte er ja auch letzten Endes mit. Komischerweise bleibt und bleibt er aber. Sie wäre auch mit einem kleineren Wagen zufrieden gewesen, schon wegen der Parkplätze in dieser Stadt, die nirgendwo wirklich Parkplätze hat. Jetzt bestellt er auch noch nach und bietet ihr die Karte an, oder ob sie nicht doch ein paar Algen mitessen möchte, eventuell gedünstete. Algen! Reichen nicht schon die Verschlingungen an den Wänden, die Ornamente sein sollen? Da wird einem doch so schon schlecht, auch wenn man noch keinen Anblick von Fisch mit inwendigen Kriechtieren hat verkraften müssen.

Wie er jetzt in seinen Algen wühlt, und das, wo sie sich eben wie durch ein Wunder nicht erbrochen hat! Das wird alles ein Nachspiel haben. Jetzt bestellt er sich einen Bambusschnaps und beginnt extra eine Unterhaltung mit der Bedienung. Das macht er nur, um sie zu ärgern, er weiß doch genau, wie sie solche primitiven Verbrüderungen haßt.

Das zieht doch den Abend noch weiter in die Länge, und was gibt es hier schon zu reden. Aber es ist sowieso gleich zehn, also Zeit zu gehen, das wird er ja wohl behalten haben.