Nordstaat ja, aber...

Zugegeben – es mutet an wie eine Gespenster-Diskussion, alle fünf bis zehn Jahre wieder. Und man wird den Eindruck nicht los, daß diejenigen, die diese Diskussion neu entfachen, wie zum Beispiel der Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau, dies auch tun, um von den vom Gesetz verschuldeten Unzulänglichkeiten der mangelnden Zusammenarbeit in den norddeutschen Staaten abzulenken.

Aber trotz allem: Die Vision eines Nordstaates, der idealtypischerweise den Norden von Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg umfassen sollte, hat viel für sich.

Das Gewicht des Nordens im Bund würde stärker, die Finanzierbarkeit aller Teile der Region wären auf Dauer gesichert (vorausgesetzt, das System der Steuerverteilung würde entsprechend geändert), und die Planung des Nordens als eine Region und nicht als in Konkurrenz stehende föderale Gebilde wäre sicherlich leichter.

Ich bin überzeugt, auch die Menschen in Hamburg könnten gut damit leben und hängen weniger an der vermeintlichen Eigenstaatlichkeit als diejenigen, die von dieser Eigenstaatlichkeit direkten Vorteil haben.

Die Anziehungskraft Hamburgs liegt in der spezifischen großstädtischen Attraktivität begründet. Ich habe nicht den Eindruck, daß die Bewohner von München, Frankfurt, Köln oder Leipzig weniger lokalpatriotisch sind, auch wenn diese eben nur „Städte“ und keine „Staaten“ sind.

Aber Vision hin oder her: Von denjenigen, die politische Verantwortung tragen, wollen eigentlich nur die Hamburger den Nordstaat – in den anderen Ländern besteht über alle Parteigrenzen hinweg keine große Begeisterung.

Darum sollte man bei aller Lust zum Visionären zunächst einmal die greifbare Zusammenarbeit in der Region verstärken. Dies geht auch ohne Nordstaat-Gedanken, setzt allerdings voraus, daß die Regierungschefs dieser Staaten, Schröder, Voscherau und Simonis ihre Eitelkeiten und parteiinternen Animositäten beiseite legen und den Norden als gemeinsame Region begreifen, unabhängig von dessen Organisation, und nicht als kleine Fürstentümer, die jeweils ihren Thronen zu Füßen liegen.