Alphabetisches Strandgut

Alles fließt. Bis auf jene seltene Tage, wo sich gravitätisch fette Eisschollen an stählernen Uferbefestigungen reiben und ächzen. Oder nicht mal mehr das. Nichts geht mehr im ewigen Eis der Kleinen Weser, wo zwischen Bürgermeister-Smidt- und Wilhelm-Kaisen-Brücke Hugo Wallitzer und Kunstkoop-Nord alias Frank Riepe seit Mittwoch damit beschäftigt sind, drei überdimensionale Buchstaben ins Eis zu ritzen. Bei verfrorenen Gesichtern und abgestorbenen Füßen. Um die Lettern als Land Art wahrzunehmen, bedarf es eines erhöhten Standpunktes. 37 Meter lang sind das A, B, C und D, die die beiden Künstler mittels Eisschippe und Besen sichtbar gemacht haben. Kein Kunsthochschulen-Projekt, sondern reine Privatsache. „Auf der Kunsthochschule findet keine Kunst statt“, finden die beiden Neu-Bremer, die allerdings nie eine solche besucht haben. Wenn es schon mal Schnee und Eis gibt in der Stadt, wollten Wallitzer und Riepe auch damit umgehen. Und die Irritation schaffen, da, wo sonst Wasser fließt, optische Haltepunkte zu schaffen. Solange die Quecksilbersäule es zuläßt, sind die verkantet angeordneten Lettern, die wie alphabetisches Strandgut wirken, noch zu sehen.

Mu/Foto: Nikolai Wolff