Hirngespinst

■ betr.: „Unter Linken – Ratlosig keit verbindet“, taz vom 5. 2. 96

Ironisch geschriebene Artikel können sehr belebend sein, wenn die Ironie nicht zum Selbstzweck wird und der Beliebigkeit des Autors entspringt. Leider ist letzteres durchgängig in dem „Bericht“ von Christoph Seils der Fall.

Mich als „letzten Marxisten der SPD-Bundestagsfraktion“ zu bezeichnen, muß ein Hirngespinst sein: Ich war nie einer, habe mich weder je so definiert, noch bin ich je von anderen so klassifiziert worden oder hätte ich je das dazugehörige Vokabular gebraucht. Links war und bin ich dennoch stets gerne. Erörterungen über die Gründe der politischen Schwäche der Linken und über alternative gesellschaftliche Perspektiven zum gegenwärtigen Neokapitalismus – der das Befinden von Gesellschaften ebenso wie die der Ökosphäre ignoriert – als „Ratlosigkeit“ abzutun, läßt die Vermutung aufkommen, der Berichterstatter sei auf einer anderen Veranstaltung gewesen als diejenige, über die er berichtet hat. Das Diktum der „Ratlosigkeit“ hat mir jedenfalls noch nie einer angehängt, sondern nur, daß meine Ratschläge als „nicht machbar“ hingestellt werden. Vielleicht verwechselt der Berichterstatter das Wort ratlos mit seinem eigenen Selbstzweifel? Dr. Hermann Scheer, MdB,

Bonn