Trotz geringer Beteiligung kein Frust

Morgen enden an der Freien Universität teilweise die Institutsbesetzungen. Streikbeteiligung der Studierenden blieb gering, doch Aktivisten wollen sich nicht entmutigen lassen  ■ Von Torsten Teichmann

„Winterschlußverkauf“ steht auf einem Transparent draußen vor dem Lateinamerikainsitut. „Lehraufträge an Nicht-Unidozenten sollen um 30 Prozent gekürzt werden“, klagt Johannes Metzler (22), Student im dritten Semester. Er ist seit drei Wochen im Streik. Neben seinem Institut sind die Häuser der Religions- und Islamwissenschaften und der Ethnologen ebensolange besetzt. Die Studenten würden gegen weitere Kürzungen an der Freien Universität, gegen Studiengebühren und gegen Bafög-Verzinsung streiken, erklärt er.

Im größten Seminarraum des Lateinamerikainstituts liegen Schlafsäcke, Iso-Matten und Polsterkissen. Es gibt Kaffee aus Thermoskannen. Abends wird gekocht, „meist Spaghetti“, sagt Alt- amerikanistin Silke Friemel (23). An den Wänden hängen die Zeitungsartikel über ihren Streik. Auf einen Tisch am Eingang des Raumes liegen Kopien und Broschüren zum Thema Studiengebühren. An ihm sitzen rauchend und diskutierend sieben Studenten. Die StudentInnen wollen noch bis Ende dieser Woche streiken.

In den letzten drei Wochen „haben wir Podiumsdiskusionen und Vollversammlungen organisiert“, erklärt Johannes. Die Studenten malen Plakate. Am Mittwoch soll eine Pressekonferenz stattfinden, zu der die bildungspolitischen Sprecher der Parteien geladen sind. Im Flur hängt eine Liste mit den Namen der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, die seit 1994 schon gehen mußten. „In diesem Jahr laufen die Verträge von vier weiteren Dozenten aus“, so Johannes. Ihre Stellen werden nicht wieder besetzt. „Die Lehre wird immer schlechter“, kommentiert seine Kommilitonin Mandy Große (21).

Das die Lernsituation verbessert werden muß, sagt auch FU- Sprecher Christian Walther. Studiengebühren würde er nur zustimmen, „wenn sie denen zugute kommen, die sie bezahlen“, so Walther. Er befürchte aber, daß sich der Staat dadurch nur aus der Hochschulfinanzierung zurückziehen will.

Diese Sorge teilt er mit den Besetzern und auch mit denen, die nicht am Streik teilnehmen, wie die 24jährige Geschichtsstudentin Karoline Ulrich. Vom Streik habe sie noch nicht viel gehört. Auch den Informationstisch des Aktionskomitees am Eingang der Mensa habe sie nicht gesehen. Der Tisch ist im gesamten Hauptgebäude der einzige Hinweis auf die Studentenproteste.

Dahinter sitzt Katja Raetz (19). Die Studentin der Erziehungswissenschaften verteilt kostenlose Broschüren. „Wir haben wirklich ein Problem, alle Kommilitonen zu informieren“, hat sie erfahren müssen. Das Problem haben die Streikenden der Religions- und Islamwissenschaften auch. Der Institutseingang ist versperrt, eintreten kann man nur durch die Tür des „Streikcafés“ auf der Rückseite. „Da sind viele Kommilitonen gleich wieder nach Hause gegangen“, erklärt Astrid Holmgeren (22). Enttäuscht über die geringe Resonanz des Streiks bei den Mitstudierenden ist sie ebensowenig wie die Streikenden in den anderen Instituten. „Daß es schwierig wird, wußten wir, aber sitzen bleiben wäre der falsche Weg“, sagt Silke Friemel.

Bei den Instituten für Religions- und Islamwissenschaften greifen die Streikenden zu einem Trick: „Ab Dienstag laufen die Seminare wieder“, so Studentensprecher Georg Klein (31). Aber die Hälfte der täglichen Unterrichtszeit soll dazu genutzt werden, Kommilitonen und Dozenten über den Streik und die bevorstehenden Kürzungen und Gebühren zu informieren, hat man sich vorgenommen.

Astrid ist in der Arbeitsgruppe „Hochschulpolitik“, die täglich tagt. Auch sie ist nicht unzufrieden. Durch den Streik hätten sie zum ersten Mal Zeit, sich mit Hochschulpolitik auseinanderzusetzen, sagt sie.