Das Portrait
: Die Mufflige

■ Katja Seizinger

Der Angriff auf ihr zweites WM-Gold im Super-G dauerte nur knapp 20 Sekunden. Dann blieb Katja Seizinger mit dem Innenski hängen, und das erste Rennen bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften in der Sierra Nevada war für sie beendet. „Das kann passieren“, quittierte die 23jährige ihren Patzer so gelassen, wie sie meist auch die Siege in Kauf zu nehmen pflegt. „Morgen geht's weiter.“ Abgrundtiefe Trauer ist ihre Sache genausowenig, wie himmelhochjauchzende Freude, wenn alles glatt geht.

Nach ihrem Abfahrtsolympiasieg in Lillehammer beispielsweise schaute sie so mißmutig drein, daß ein besonders unverschämtes Fotografenexemplar ihr ein „Freu Dich endlich, blöde Kuh“ entgegenschleuderte und damit aufs Trefflichste bestätigte, daß Seizingers offenkundige Geringschätzung der Journalistenzunft keineswegs ohne Grundlage ist.

Hängengeblieben: Katja Seizinger Foto: Bongarts

Völlig untypisch für eine erfolgreiche Skiläuferin, wuchs Katja Seizinger nicht im Gebirge auf. Geboren wurde sie in Recklinghausen, lebte mit ihren Eltern zunächst im Ruhrgebiet, später im badischen Eberbach. Erst mit 15 entschied sie sich für eine Skikarriere, was sie nicht hinderte, mit der Durchschnittsnote 1,6 ihr Abitur zu bestehen. Mit 15 wurde sie Deutsche Jugendmeisterin in drei Disziplinen, ihren ersten großen internationalen Titel gewann sie 1990 bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Anchorage. Seitdem siegte sie in 23 Weltcuprennen, zuletzt bei drei Super-G-Läufen in Folge. Dennoch sah sie selbst sich in der Sierra Nevada keineswegs als große Titelaspirantin: „Die Strecke liegt mir nicht“, konstatierte sie. Was zu beweisen war!

Bei WM oder Olympia als Favoritin an den Start zu gehen und dann zu scheitern, ist für die „unbändig ehrgeizige“ (Trainer Mutschler) Rennläuferin mit dem „absoluten Gefühl für den Ski“ (Rosi Mittermaier) beileibe nichts Neues. In der olympischen Abfahrt von Albertville 1992 verpaßte sie wegen eines krassen Fahrfehlers um drei Hundertstel eine Medaille, bei der WM im japanischen Morioka wurde sie ebenfalls nur Abfahrtsvierte, bevor sie den Titel im Super-G holte, und in Lillehammer stürzte sie im Super-G nach Bestzeit im oberen Teil. Wenige Tage später gewann sie Gold in der Abfahrt.

Dieses Kunststück kann sie am nächsten Sonntag wiederholen. Lachen wird sie dann allerdings noch lange nicht.

Schon gar nicht, wenn irgendwelche fotografierenden Ochsen in der Nähe sind. Matti Lieske