Von Adlershof nach Hollywood

■ Was wurde aus dem Erbe des DDR-Fernsehens? Ein Besuch im "Deutschen Rundfunkarchiv"

Adlershof liegt auch für den Berliner nicht gerade um die Ecke. Dennoch wird der Stadtteil, im südöstlichen Berlin-Treptow gelegen, immer mal wieder mit aller Kraft von gutgeölten Rednern in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt. Aus gutem Grund: Hier war bis 1991 der „Deutsche Fernsehfunk“ der DDR zu Hause, der reibungslos abgewickelt wurde und zum Dank neben etlichen lukrativen Immobilien auch ein komplettes Archiv hinterließ.

Desselben bedienen sich die ARD-Anstalten nun wieder gern. Der ORB bringt alte Folgen von „Der Staatsanwalt hat das Wort“, B1 zeigt „Polizeiruf 110“ und den „Kessel Bestes“, eine „Best Of“ der DDR-Unterhaltungsgala „Ein Kessel Buntes“, und mit anderem Archivgut „von zeithistorischem Wert“, Ausschnitten aus der „Aktuellen Kamera“ etwa, illustriert man Fernsehdokumentationen. Auch der MDR, der Bayrische Rundfunk und der Südwestfunk bestücken ihr Programm mit Adlershofer Beständen.

„Rundfunkarchiv Frankfurt am Main“ steht auf den Schildern, darunter in kleinerer Schrift „Standort Berlin“. Was sonst als Schimpfwort gilt, „DDR-Hinterlassenschaft“ nämlich, ist in Adlershof ein Schatz, der dem Fachpublikum am letzten Dienstag innerhalb eines „audiovisuellen Salons“ präsentiert wurde. Das „Deutsche Rundfunkarchiv“ (DRA), wie man es aus Gründen der Diplomatie lieber nennt, wird von der ARD bezahlt und beherbergt Bild-, Schall-, Presse- und natürlich das Fernseharchiv: zirka hunderttausend Sendungen, darunter auch Fremdproduktionen.

Die Ausbeutbarkeit der Archivbestände ist nicht nur für Medienleute interessant. Ein Sprecher der Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft (BAAG), die Adlershof durch „Medienstadt“ und Universitätsdependancen zur „Stadt für Wissenschaft und Wirtschaft“ aufgewertet sehen möchte, reihte denn auch – und ohne mit der Wimper zu zucken – die größten Medienstandorte aneinander: „Hollywood, Babelsberg, Adlershof“. Doch vorerst wird in Adlershof nicht „Jurassic Park II“, sondern nur das „Glücksrad“ produziert, und das „Deutsche Rundfunkarchiv“ spielt dabei keine große Rolle. Die Immobilie des DRA wird bald dem SFB gehören. Der Sender wiederum dementiert heftig, das Rundfunkarchiv selbst auch kaufen zu wollen.

Was halt so dran ist an Gerüchten: Der „Riesenstock von Programmvermögen“ wird vom Archivleiter eher ernüchternd treffend denn zu Unrecht als solcher bezeichnet. Denn nicht nur gefragte „DDR-Altlasten“ aus den Jahren 1952 bis 1991 lagern im Rundfunkarchiv, sondern auch das historische Archiv des Rias, der – noch nicht erschlossene – Nachlaß des russischen Besatzersenders „Wolgawelle“ und weitere Fremdproduktionen. Die Hälfte der hunderttausend Sendungen des „Deutschen Fernsehfunks der DDR“ sind bisher per Datenbank zugänglich; allein zweitausend Sendestunden hat man der ARD und ihren Ablegern 1995 zur Verfügung gestellt. 9.000 Kopien wurden der ARD schon zurückgegeben, darunter Mit-

schnitte von „Westsendungen“, die das DFF für den „Schwarzen Kanal“ auswertete.

Die ARD jedenfalls scheint ihre Rolle als Schirmherrin der Archivbestände ernst zu nehmen. Sie will vier Millionen Mark für Sicherung und Umformatierung der alten DDR-Kopien aufbringen, die ansonsten innerhalb der nächsten zehn Jahre durch mechanische Beanspruchung beim Überspielen an die Sender und den Verschleiß der alten DDR-Geräte verloren gingen. 900.000 Mark sollen in diesem Jahr ausgegeben werden, damit, wer über die Berliner Rundfunkgeschichte forscht, in Adlershof auch weiterhin den größten Bestand an Materialien findet. Anke Westphal