„Null Risiko gibt es nicht“

■ Norddeutschlands Fleischer reagieren mit Importstop auf Seehofers Rinderwahn Von Marco Carini

Rind(erwahn)fleisch aus England - nein danke! Mit freiwilligen Importstops reagieren die norddeutschen Fleischer auf die vorgestern in Kraft getretene Verordnung von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, nach der britisches Rindfleisch in Deutschland verkauft werden darf, wenn die geschlachteten Tiere 1992 oder später geboren wurden. Die Fleischverarbeiter wollen mit ihrem Boykott weitere Umsatzeinbrüche vermeiden – 1994 war der Rindfleischkonsum infolge der Diskussion um die Rinderseuche bundesweit um sieben Prozent zurückgegangen.

Problem dabei: Trotz des Boykotts des in Great Britain gemästeten und geschlachteten Tieres können die VerbraucherInnen nicht sicher sein, „wahnfreie“ Steaks und Wurstwaren auf den Tisch zu bekommen. Schleswig-Holsteins Agrarminister Hans Wiesen (SPD): „Null Risiko gibt es nicht“.

Hans Guthold, Geschäftsführer des Hamburger Fleischgroßmarktes betont hingegen, bereits heute könne „ausgeschlossen werden“, daß in Deutschland verarbeitete Fleisch- und Wurstwaren englisches Rindfleisch enthielten. Bereits 1993, als die Rinderseuche BSE erstmals in die Schlagzeilen geriet, seien von über 1,5 Millionen Tonnen Rind, die in Deutschland verarbeitet und gehandelt wurden, nur 1800 Tonnen von der Insel importiert worden. Die insgesamt 130 Hamburger Firmen, die in der Fleischwirtschaft tätig sind, hätten bereits 1993 „genau null Kilo Rindfleisch aus England“ importiert. Eine Verpflichtungserklärung, die die in Hamburg ansässige fleischverarbeitende Industrie heute unterschreiben wird, soll sicherstellen, daß das in Zukunft auch so bleibt.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel teilte unterdessen mit, sie werde prüfen, ob „der Import britischen Rindfleischs nach Hamburg verhindert werden kann“. Die von ihrer Behörde angeordneten Kontrollen hätten aber gezeigt, daß die fleischverarbeitenden Betriebe der Stadt schon in der Vergangenheit kein Fleisch aus England und Nordirland importiert hätten.

Auch in Kiel verpflichteten sich die führenden fleischverarbeitenden Betriebe, Handelsketten und der Bauernverband, kein Rindfleisch, gemästet und geschlachtet in Great Britain, zu verarbeiten oder gar in den Handel zu bringen. Die Einhaltung des Rindfleischboykotts soll, laut Wiesen, durch regelmäßige neutrale Kontrollen sichergestellt werden.

Noch in dieser Woche will Wiesen unterschriftsreife Verträge vorlegen. Die Vereinbarung soll im wesentlichen eine genaue Herkunfts- und Produktionskontrolle enthalten, Verstöße könnten rechtlich geahndet werden. Den VerbraucherInnen sollen kontrollierte Unternehmen mit Zertifikaten ausgewiesen werden, die damit Werbung betreiben dürften.

Eine Garantie für durchweg BSE-freies Fleisch in Schleswig-Holstein könne es aber trotz dieser Kontrollen nicht geben. Für Importe aus anderen Bundesländern etwa könne keine Gewähr übernommen werden. CDU und FDP warnten in Kiel, das Risiko könne zwar vermindert, ein Mißbrauch aber nicht ausgeschlossen werden. Der Hamburger Großmarktchef Hans Guthold sieht ein Rinderwahn-Risiko hingegen nur „bei aus dem Ausland exportieren Wurstwaren“. Sein Argument: „In Deutschland wird sich niemand die Finger an britischem Rindfleisch verbrennen“.