Alte Front und neue Hoffnung

■ Historischer Moment auf neutralem Boden: Hafenstraße trifft Senator Von Uli Exner

Sie sitzen zusammen. Das ist die Sensation an diesem Mittwochabend. Thomas, Dorit und Armin sitzen zusammen. Thomas, der Vertreter des Senatsplenums. Dorit und Armin, die Vertreter des Hafenstraßenplenums. Sie unterhalten sich nicht, das wäre vielleicht zuviel verlangt. Nach all den Jahren der Sprachlosigkeit, der Schlagstöcke, der Farbeimer, der Parolen, der biestigen Konfrontation zwischen „den Chaoten“ und „den Herrschenden“, wie man sich so lange gegenseitig tituliert hat.

Da braucht es schon einen Dolmetscher, den taz-Redakteur Florian Marten gibt. Da trifft man sich auch nicht zum gemütlichen Plausch in Volxküche oder Ratsstube, sondern auf neutralem Gelände und unter Zeugen. Eingeladen zum zweiten Hafenrand-Forum hat die Dialogkommission der Patriotischen Gesellschaft, zwischen Senator Thomas Mirow, Dorit und Armin sitzt HfbK-Chefin Adrienne Göhler und freut sich: „Das ist wirklich mehr, als ich erwartet habe. Unser Ziel, die Kontrahenten an einen Tisch zu kriegen, ist erreicht.“

Auch wenn die drei vorläufig noch aneinander vorbeireden. Schnupperphase, begrenzt auf eine Stunde. Dann muß Thomas gehen. Hat ja noch andere Verpflichtungen, so ein Senator. Daß das man klar ist. Und noch eine Marke muß Mirow setzen: Ein Verkauf der Häuser an die Hafenstraßen-Genossenschaft sei für ihn „politisch nicht vorstellbar“. Es ist vor allem dieser Satz, der die Skepsis der Hafenstraßenbewohner gegen den Privatisierungsbeschluß des Senatsplenums stärken könnte.

Privatisierung. Schon „das Wort schmeckt uns nicht“, sagt Armin. Mietwohnungen seien nun mal ungeeignet als Objekte wirtschaftlichen Profits. Vergesellschaftung, Verkauf an die eigene Genossenschaft, diese Vokabeln leiten sich für das Hafenstraßenplenum aus dem „Recht auf Wohnen“, dem „Recht auf Selbstbestimmung“ ab. Es sind diese Vokabeln, die die Skepsis der Rathausbewohner gegen die Beschlüsse des Hafenstraßenplenums stärken könnten.

Sie müssen es nicht, meint Mirow. Wenn man Abschied nähme von den Überschriften, von der verbalen Frontstellung, die jetzt zwar nicht mehr entlang der Imperative „Hafenstraße bleibt!“ und „Hafenstraße räumen!“ verläuft. Die aber, wer wollte, zwischen „Privatisierung“ und „Vergesellschaftung“ neu ziehen könnte. Also, sagt der Thomas, „weg von den Überschriften“, hin zu den eigentlichen Zielen:

– Wohnen ohne Räumungsdruck, „zu verbesserten Bedingungen“, wie es Mirow formuliert.

– Spekulation mit den Häusern vermeiden.

– Die dauerhafte Sanierung statt Abriß.

Welches Plenum sollte sich dagegen aussprechen, wenn Mirow auch noch hinzufügt, daß diese Ziele schrittweise, ganz langsam und ohne Zeitdruck verfolgt werden müßten. Daß mit dem Senatsbeschluß auch genossenschaftliche Modelle nicht ganz vom Tisch seien. Ist da nicht, trotz Sprachlosigkeit, alles schon im Lot?

Nicht ganz. Denn eine Überschrift kann sich der „Herrschende“ schon aus Rücksichtnahme auf sein Rathausplenum dann doch nicht verkneifen: „Rechtsstaatlichkeit“. Das Murren bei den „Chaoten“ ist zwangsläufig. Da ist sie wieder die Skepsis, die alte Front: Rechtsstaatlichkeit – „was heißt das schon“? Ist das nicht nur ein anderer Begriff für das „Diktat der Herrschenden“. Und ist nicht ohnehin dieser neue Senatsbeschluß mit seinen Verkaufsbedingungen auch wieder ein „Diktat“?.

„Wir kommen nicht mit einem fix und fertigen Modell,“ antwortet (!) Thomas, fast schon im Mantel. Vielleicht ist das ein Indiz dafür, daß sich diese Hoffnung einer Hafenstraßenbewohnerin in absehbarer Zeit doch noch erfüllt: „Es muß möglich sein, ganz normal miteinander zu sprechen.“