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Warnstreiks gegen „Null-Lösung“

■ 12.000 Hamburger MetallerInnen im befristeten Ausstand für sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt / Unternehmer warnen vor Folgen Von Kai von Appen

In der Hamburger Metallindustrie haben gestern rund 12.000 Beschäftigte vorübergehend die Arbeit niedergelegt. Mit ihren Warnstreiks, zu denen die IG Metall aufgerufen hatte, protestierten sie gegen die von den Arbeitgebern der Branche anvisierte „Nullrunde“ bei Löhnen und Gehältern. Die Gewerkschaft hingegen verlangt sechs Prozent.

Es waren unterschiedliche Aktionen, mit denen die MetallerInnen in rund 30 Betrieben Druck auf die Unternehmen auszuüben versuchten. So wurden in einigen Firmen betriebsinterne Versammlungen abgehalten, während bei der Deutschen Airbus in Finkenwerder die Beschäftigten einfach um 13 Uhr Feierabend machten und ins Wochenende gingen. Bei der Sietas- und der Norderwerft waren die Malocher bereits mit Beginn der Frühschicht um drei Uhr morgens in den Streik getreten und gar nicht erst zur Arbeit erschienen.

Im Daimler-Benz-Werk in Harburg trafen sich am Morgen rund 600 Metaller zu einer Kundgebung vor dem Werkstor – mehr als die Hälfte der gesamten Tagschicht. „Für uns ist die hohe Beteiligung selbst überraschend“, freute sich Hamburgs IG Metall-Chef Klaus Mehrens. In seiner Rede verteidigte Mehrens die IG Metall-Forderung: „Seit Jahren wird den Arbeitnehmern das Geld aus der Tasche gezogen.“

Noch nie hätten in einer Tarifrunde gewerkschaftliche und wirtschaftspolitische Interessen so eng beieinander gelegen. Mehrens: „Die Arbeitnehmer brauchen mehr Geld und die Wirtschaft mehr Nachfrage.“ Daher müsse die Kaufkraft gestärkt werden, um die Konjunktur zu stärken. Doch statt diesen Zusammenhang zu sehen bestünden die Arbeitgeber in den Verhandlungen weiterhin auf einer „Null-Lösung“ und dem Abbau tariflicher Leistungen zur „Kostendämpfung“, bevor sie ein Lohnangebot unterbreiten würden. Mehrens: „Sie wollen uns aus der einen Tasche ziehen, was sie in die andere noch nicht einmal eingezahlt haben.“

Wie berichtet, hatte der Unternehmerverband „Nordmetall“ für eine 3,5-prozentige Gehaltserhöhung die Verschiebung der Einführung der 35-Stunden-Woche (bislang geplant zum 1. 10. 1995), den Verzicht auf den Lohnausgleich, tarifvertragliche Öffnungsklauseln für Klein- und Mittelbetriebe (der Tarifvertrag soll nicht mehr gelten, die Friedenspflicht hingegen bestehen bleiben) und eine Niedriglohngruppe bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen gefordert.

Ein Nordmetall-Sprecher warnte die Gewerkschaft gestern vor einer Ausweitung der Warnstreiks mit der altbekannten Formel: Durch die Arbeitsniederlegungen könnten den Metallunternehmern Aufträge verloren gehen, wodurch weitere Arbeitsplätze im Norden vernichtet würden. IG Metall-Chef Klaus Mehrens äußerte dagegen die Hoffnung, daß die Warnung verstanden werde, und: „Die Metallerinnen und Metaller erwarten von den Arbeitgebern jetzt ein verhandlungsfähiges Angebot, sonst wird es zu weiteren Aktionen und Warnstreiks kommen.“

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