Irak bringt Tories ins Schwitzen

■ Der Scott-Bericht zu den britischen Irak-Waffendeals führt zu einer Farce im Parlament, aber nicht zu Rücktritten

Dublin (taz) – Für die einen war es eine Ehrenerklärung, für die anderen die wohl längste Anklageschrift der Welt. Als Richter Richard Scott vorgestern seinen „Irakgate“-Untersuchungsbericht im britischen Parlament vorstellte, schien die Regierung glimpflich davongekommen zu sein – doch der Teufel steckte im Detail.

Die britische Regierung hatte nach dem Ende des Krieges zwischen Iran und Irak 1988 das UN- Waffenembargo gegen Irak unterlaufen, aber das Unterhaus darüber belogen. Erst mit Beginn des Golfkrieges 1990 stellte man die Rüstungslieferungen ein. Leider hatte der Zoll Wind von den Lieferungen bekommen und brachte die Waffenexporteure vor Gericht, weil er nicht wußte, daß der Deal von höchster Stelle abgesegnet war. Drei Kabinettsminister versuchten, per Immunitätserklärungen Beweismaterial in dem Prozeß zu unterdrücken. Doch die Sache flog auf und im November 1992 begann Richter Scotts Untersuchung.

Was sich vorgestern im Londoner Unterhaus abspielte, hatte Züge einer Persiflage. Kabinett und Opposition hauten sich gegenseitig Zitate aus dem Scott-Bericht um die Ohren und kamen zu völlig gegensätzlichen Schlüssen. Die Regierung versuchte dem Unterhaus weiszumachen, die ganze Affaire beruhe nicht auf böswilliger Vertuschung, sondern auf Unfähigkeit. Die Labour-Opposition war der Meinung, das allein sei Grund genug für einen Rücktritt. Industrieminister Ian Lang klammerte sich daran, daß Scott davon ausgeht, die Kabinettsmitglieder hätten in Bezug auf die Immunitätserklärungen „ehrlich und in gutem Glauben gehandelt“, seien aber von Generalstaatsanwalt Nicholas Lyell falsch beraten worden. Lyell selbst fand Trost im doppelten Negativ: Scott hatte geschrieben, er „kann es nicht akzeptieren, daß Lyell nicht persönlich Schuld daran hatte“. Das sei weniger ehrenrührig als eine direkte Schuldzuweisung, fand Lyell.

Er bleibt im Amt, ebenso wie William Waldegrave, damals Staatssekretär im Außenministerium. Scott hatte geschrieben, Waldegrave habe dem Parlament „absichtlich“ die Wahrheit verschwiegen, seine Rechtfertigung sei „lächerlich“. Waldegrave bedankte sich für die „Ehrenrettung“.

Robin Cook, außenpolitischer Sprecher der Labour Party, vollbrachte ein kleines Wunder. Die Regierung, die selbst zur Lektüre des Berichts acht Tage Zeit hatte, machte dem Oppositionspolitiker den Bericht erst drei Stunden vor der Unterhausdebatte zugänglich – unter Gefängnisbedingungen: Cook mußte ins Industrieministerium gehen, sein Handy abgeben und dann wurde er mit dem Bericht in einen Raum eingesperrt, mit einem Wachposten vor der Tür. Dennoch brachte Cook die Tories bei der Debatte ins Schwitzen, weil er in der kurzen Zeit die Schlüsselworte aus der Papierflut herausgefiltert hatte. Wenn Labour so viel Unruhe anrichten kann, ohne den Bericht genau zu kennen, dann muß sich das Kabinett auf etwas gefaßt machen, wenn übernächste Woche die ausführliche Debatte im Parlament ansteht. Ralf Sotscheck