Ganz große Kies-Koalition

Der Bundestag will das ostdeutsche Bergrecht ändern und nimmt damit mehr Rücksicht auf Grundeigentümer und die Umwelt  ■ Von Toralf Staud

Berlin (taz) – Mit Kies Kohle machen – das ist bisher in Ostdeutschland relativ einfach. Bald soll das vorbei sein. Bündnisgrüne, SPD, FDP und die Union haben sich in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Bundestages darauf geeinigt, das in den neuen Ländern geltende Bergrecht dem westdeutschen anzugleichen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist vom Wirtschafts- und vom Justizministerium bereits abgenickt worden. Noch im März soll er Bundesrat und Bundestag passieren.

Nach fünfeinhalb Jahren läuft dann eine umstrittene Sonderregelung aus: Während im Westen der Grundstückseigentümer über die darunterliegenden Sande und Gesteine verfügen darf, sind diese Rohstoffe in den neuen Ländern als „bergfrei“ deklariert. Über sie bestimmt – wie bei Kohle oder Öl – der Staat; die Bergämter vergeben die Abbauberechtigungen meist an den, der sie am schnellsten beantragt hat. Diese Regelung wurde im Einigungsvertrag festgeschrieben, weil laut Bundesregierung der „Aufschwung Ost“ Baustoffe brauchte und durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse nicht behindert werden durfte.

Die westdeutschen Baustoffkonzerne freuten sich. Sie schickten seit 1990 ihre Abbauanträge wäschekorbweise an die ostdeutschen Bergämter. Mittlerweile sind die steinreichen Ostregionen mit Kiesgruben und Steinbrüchen übersät. 1994 wurden in den neuen Ländern fast hundert Millionen Tonnen über Bedarf gefördert und in den Westen exportiert.

Vera Lengsfeld, thüringische Abgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen, putzte im Bundestag die Klinken für eine Änderung. Thüringen und Sachsen-Anhalt starteten Bundesratsinitiativen. Lange ohne Erfolg – die Regierung war prinzipiell gegen eine Änderung des Einigungsvertrags. Letztlich auf Druck der Ost-CDU rangen sich die Unionsfraktion und dann auch die FDP zu einem Ja durch.

In diesem wird festgelegt, daß die entsprechende Regelungen des Einigungsvertrages „nicht mehr anzuwenden sind“. Die betroffene Vertragspassage soll mit einer Fußnote versehen werden. Eine komplette Streichung erschien zu heikel. „Die Juristen warnten davor, einen Vertrag zu ändern, wo der eine Partner nicht mehr da ist“, erklärt der CDU-Abgeordnete Ulrich Petzold.

So oder so, Mineralienabbau fällt in Zukunft auch im Osten nicht mehr unter das Bergrecht. Wie in Westdeutschland soll er in Zukunft von Kommunen nach dem Naturschutz-, Wasser- und Baurecht genehmigt werden. Beim Bestandsschutz für bestehende Abbauberechtigungen hat Lengsfeld sogar mehr erreicht, als sie anfangs hoffte: Erteilte Genehmigungen sollen bei längerer Nicht- Nutzung verfallen – eine Erkundungsbewilligung nach sechs Monaten, eine Abbauerlaubnis nach anderthalb Jahren. Lengsfeld: „Das ist ein ziemlich wirksamer Riegel gegen Anträge, die auf Vorrat eingereicht wurden.“