Sanssouci
: Vorschlag

■ De Keersmaeker und de May mit "FASE" im Hebbel-Theater

Als Anne Terese de Keersmaeker im Januar 1983 beim Londoner Tanzfestival Dance Umbrella ihre Choreographie „FASE“ präsentierte, wußte man nichts von der jungen Choreographin. Nur, daß sie bei Béjart studiert hatte, daß sie in Brüssel lebte und daß es sich bei ihrem Stück offensichtlich um eine minimalistisch geprägte Arbeit handelte. Das verriet der Untertitel: „Four Movements to the Music of Steve Reich“. Heute ist de Keersmaeker weltbekannt. Ihr gemeinsam mit Michèle Anne de Mey getanztes „FASE“ gilt als das Stück, mit dem sie zu ihrem eigenen Stil gefunden hat. 1993 nahmen de Keersmaeker und de Mey das Stück für das Holland-Festival wieder auf. Jetzt gastieren sie damit beim „Tanz-Winter“ im Hebbel Theater.

„FASE“ ist von verwirrender Klarheit, höchst präzise und scheinbar einfach gebaut. So wird jede Abweichung, jede Variation zur Irritation. Im ersten der vier Teile, der „Piano Phase“, ist es das Schwingen des rechten Arms, das die gleichbleibenden Bewegungen bestimmt. Später, im dritten Teil, wird es de Keersmaeker über die Bühne kreiseln lassen. Anfangs scheint „FASE“ wie ein Uhrwerk zu funktionieren. Fünf, sechs von Armschwüngen dominierte Bewegungen, mehr nicht. Aber dann arbeiten sich die unendlich wiederholten, minimal variierten Bewegungen in die musikalische Struktur hinein. Der Tanz scheint die Musik aufzusuchen. Eine Begegnung findet statt, die die Wahrnehmung sowohl von Bewegung als auch von Musik verändert.

Anne Terese de Keersmaeker ist für ihr spezifisches Verhältnis zur Musik bekannt. Tanz, so lautet ihre Überzeugung, kann „guter“ Musik nichts hinzufügen. Doch er kann den Aufbau, die Linien und die Ebenen von Musik mit seinen Mitteln auf eigene Weise umsetzen. Damit ist keine traditionelle Punkt-für-Punkt- Interpretation gemeint: In de Keersmaekers Exerzitien werden die Korrespondenten der Bauprinzipien von Musik und Tanz sichtbar. „Ich schätze Dinge, die artikuliert und definiert sind“, sagt die Choreographin. „Aber die Definition muß so beschaffen sein, daß sie einen großen Raum für das Undefinierte läßt.“ Diesem „Undefinierten“ gilt ihre Suche. Michaela Schlagenwerth

„FASE“. Heute, 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg