Wo helal draufsteht, ist auch helal drin

■ Ismael Hanli ist der einzige Berliner Metzger, der nach islamischem Ritus schächtet. Elektrokurzzeitbetäubung als Kompromiß zum Schlachten ohne Betäubung im Islam. Tierarzt und Hodscha kontrollieren und stempeln das Fleisch

„Ist das auch helal-geschlachtet?“ Der Verkäufer antwortet mit einem strafenden Blick: „Aber klar doch!“ Er häuft mit vollen Händen das Gehackte auf die Waage. An der Scheibe der Kühltheke klebt neben Postkarten mit Koran-Zitaten das Firmenlogo. „Bolu – Helal et Pazari“ heißt der türkische Supermarkt, einer von rund dreißig in Berlin, die islamisch geschächtetes Fleisch verkaufen. „Helal heißt ,erlaubt‘. So wie Gott es uns befohlen hat“, erklärt Selcuk Adnen Simav vom Dachverband türkischer Gemeinden.

Die islamischen Speisevorschriften sind sehr genau: Nur ein Muslim darf das Messer ansetzen. Er muß dem Tier gut zureden, es beruhigen und dann blitzartig die Halsschlagader aufschneiden. Der Kopf des Tieres soll dabei gen Mekka weisen und der Schlachter „bism Allah“ murmeln. Ismael Hanli hat einen schweren Arbeitstag hinter sich: 130 Lämmer und 15 Rinder hat er an diesem Morgen geschlachtet. Er ist der einzige, der in Berlin nach den islamischen Regeln schächtet. Bevor Hanli 1968 nach Berlin kam, hat er in der Türkei Metzger gelernt. Seit sechs Jahren arbeitet der 58jährige für einen türkischen Fleischgroßhändler.

Zum Opferfest, 60 Tage nach Ende des Fastenmonats Ramadan, macht er Überstunden. Eigentlich müßte jede Familie selbst ein Schaf schlachten. Da aber das Schlachten auf Berliner Hinterhöfen verboten ist, können die Muslime ein Opfer beim Schächter in Auftrag geben. Beim Ansetzen des Messers nennt Hanli den Namen desjenigen, der das Opfer in Auftrag gegeben hat.

Ein Tierarzt kontrolliert, ob sich Hanli an die Hygiene- und Tierschutzbestimmungen hält. Im Islam ist es nicht vorgesehen, daß ein Tier vor dem Schlachten betäubt wird. Das will aber das deutsche Tierschutzgesetz. Nur für die zwei bis drei Tiere, die pro Woche nach jüdischem Ritus geschächtet werden, gelten Ausnahmen. Schon mehrmals haben islamische Organisationen versucht, auch eine Ausnahmegenehmigung zu kriegen. Zuletzt gab es eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus, die abschlägig beantwortet wurde.

Um das Problem zu lösen, verfaßten die islamischen Rechtsgelehrten in Kairo ein Gutachten: Wenn in Deutschland mit Betäubung geschlachtet wird, ist das Fleisch trotzdem helal. Wichtig ist nur, daß das Tier noch lebt, wenn die Kehle aufgeschnitten wird. „Deswegen wenden wir hier die Elektrokurzzeitbetäubung an“, erläutert Thorsten Nöldner vom Gesundheitssenat. „Die ist reversibel: Wenn das Tier nicht geschlachtet wird, steht es nach drei Minuten wieder auf.“

Ismael Hanli wird aber auch von anderer Seite überwacht: „Von Zeit zu Zeit kommt ein Hodscha aus einer der Berliner Moscheen und guckt, ob ich alles richtig mache.“ Nur dann darf das Fleisch neben dem Tierarztstempel auch den Helal-Stempel tragen. Julia Gerlach