Dabei ins Notizbuch geheult

■ Kino!!! „Die Lügner“ von Elie Chouraqui (Wettbewerb)

Kinder, das wars, das ganz große Kino. Hollywood, die vierziger Jahre, groß, größer und dann — pouuuwh, direkt in den Himmel. Elie Chouraquis „Les Menteurs“ ist ein Film über einen Film. Nur spielt diesmal nicht ein beschissener Regisseur die Hauptrolle, sondern es geht um die Drehbuchschreiber. Zu Beginn des Films arbeiten Daisy und ihre Freunde an einem Drehbuch: „Man muß groß lügen, wenn man etwas erreichen will. Wie Anne Baxter in ‘All about Eve‘.“

Dann sieht man Daisy ihre eigene Szene spielen und es klappt nicht und dann doch. Sie schafft es. Die berühmte Schauspielerin Hélène Miller holt sie in ihr Haus, vor dem Daisy, wie verabredet, von einem Freund mit dem Mofa angefahren wurde. Und sie bleibt. Am selben Abend verschwindet Zac, Hélènes Geliebter, ein Drehbuchschreiber. Hélène ist verzweifelt. Nach Monaten taucht Zac wieder auf und schreibt mit Daisy ein Drehbuch. Es ist ein Liebesfilm: Leidenschaft, Betrug, Mord. Daisy verliebt sich dabei in Zac, Hélène (Lorraine Bracco) ist krank vor Eifersucht, Zac undurchschaubar usw. „Gibt es eine Rolle für mich?“ fragt Hélène Daisy. „Nein, er sucht jemanden, der die Rolle ungeschönt spielt. Mit Falten, verzweifelt, ungeschminkt.“ „Ich verstehe, Bette Davis, Magnani, Gena Rowlands — verzweifelt, aber stark.“

In einer wunderbaren Szene, beim casting für den Film, kommt Hélène ins Atelier. Es geht um die Rolle des eifersüchtigen Ehemannes, der den Liebhaber seiner Frau erschießt. Hélène besteht darauf, für die Rolle vorzusprechen — und dann passiert es! Man kann es sehen, Bette Davis, Magnani, Gena Rowlands. An dieser Stelle habe ich Rotz und Wasser in mein Notizbuch geheult. Man sieht Hélène bei der Aufnahme und abwechselnd auf dem Videoschirm, was ihr wunderbarerweise jegliche Sentimentalität nimmt.

Jean-Hugues Anglade (Zac) konnte ich zwar nie ausstehen, aber was kümmert mich mein Gerede von gestern. Er verwirrt, verführt, erschreckt, mit einem Wort: er ist großartig! Übertrefft das, Travoltahackmannhopkins! Und Valéria Bruni-Tedeschi (Daisy) hat ewig zerzaustes Haar und zeigt beim Lachen zu viel Zahnfleisch. Wer von ihr nicht hingerissen wird, muß ein Herz aus Stein haben. Wenn dieser Film keine Bären absahnt, dann nur, weil es auf dieser Welt keine Gerechtigkeit gibt. Und jetzt — laßt mich ein Drehbuch schreiben! Anja Seeliger

„Die Lügner“, F 1995, 108 Min, Regie: Elie Chouraqui. Heute, 12 Uhr: Royal Palast, 20 Uhr: International, 23.30 Uhr: Urania