„... und laßt uns tanzen im Lichte des Herrn“

■ Techno goes Gregorianik: Der erste deutsche Kirchenrave fand in St. Katharinen zu Hamburg statt. Steht die ravende Christengemeinde ins Haus? Ist Kirche cool?

Als Veranstalter muß man sich schon was einfallen lassen heutzutage. Ein Konzert in einer Kirche ist keines. Aber der Baukastensound von Techno in Verbindung mit gregorianischen Chorälen der Altvorderen? Das nennt man dann ein event.

Der nordelbischen Kirche ist derartiges vergangenen Freitag in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen ganz gut gelungen. Rund 2.000 Menschen fühlten sich angesprochen, unter dem ans christliche Mittelalter gemahnenden Titel „Crusade“ an einer Party teilzunehmen, die mit Techno zu tun hatte. Und mit Gregorianik. Womöglich sogar mit beidem. Irgendwie.

Kirchen zu Kulturplästen – eine Idee, die in England schon länger umgesetzt ist. In diversen Stadtteilen Londons hat die jeweilige Szene bereits Sakralbauten als Spielstätten belegt. Ähnliches gilt für das New Yorker „Lime Light“. In Hamburg allerdings hatten die 60 Mark Eintritt den Effekt, daß das Kirchenschiff nicht allzu voll wurde. Und das, obwohl die expandierende Techno-Event-Industrie von locations lebt.

Die Neugierigen waren wegen der Kirche gekommen, sicher aber auch wegen der extra aus Kiel angereisten Choralschola St. Nicolai. Nach vollen zwei Stunden sphärischer Klänge aus den Mischanlagen des Star Sounds Orchestra kam der Chor denn auch tatsächlich zum Einsatz – kommerzielle Gregorianik im Schlepptau des großen Hildegard-von-Bingen- Schwindels oder der inernationalen Erfolge südspanischer Klostermönche. Leider nur mangelnd verstärkt, so daß die Botschaft aus Jes. 2, 2-5 – „... laßt uns wandeln im Lichte des Herrn“ – nicht die richtige Power entfaltete.

Die eigentlichen Herren des Lichts dieser Nacht standen dem Altarraum gegenüber – an ihrem Lightcommander. Mit geometrischen Figuren aus Laserlicht ließen sie Technomystik-Atmo aufkommen. Darüber dann der Sound des „Techno-Mozart“ Cosmic Baby, auf der Bühne allerhand Mummenschanz mit dem „Pyro Space Ballet“.

Als selbiges nach einer eindrücklichen Choreographie aus Bewegung und viel, viel Licht die Bühne wieder freigegeben hatte, eroberte die tanzende Gemeinde endgültig diesen Raum – und folgte ihren angeheuerten Priestern dieser Nacht, den DJs. Die Gregorianik kam nicht weiter zum Auftritt, Rave as usual bis morgens um sieben.

Was das nun wieder war, werden Sie sich fragen, so rundherum und in toto. Hat der Spiegel am Ende recht, wenn er so meisterhaft formuliert: „Unter dem Diktat der opulenten Oberflächenreize gedeiht auch der schnell konsumierbare Knüllerhappen.“ Oder ist Kirche cool? Der Veranstalter kam wohl auf seine Kosten. Spekulationen der Kirchenleute, es sei im Laufe des Abends zu spontanen Konversionen gekommen, konnten bislang nicht bestätigt werden. Frank Uckermann

Weitere Termine der „Crusade“: 15. 3. Berlin, 26. 4. München, 10. 5. Köln, 14. 6. Frankfurt/M.