Sanssouci
: Nachschlag

■ Keine Theorie! „Solo für Carlos und Sigmund“ im Stückwerk

Drei leere weiße Kulissenwände, drei Plastikstühle und zwei Typen in schmuddeligen Trenchcoats und ohne Hosen, das ist eigentlich schon alles, was dieser Abend zum Gelingen braucht. So einfach und billig kann Theater sein. Und so wunderbar. Komisch. Intelligent. Rasant. Irre- und verführend. „Solo für Carlos und Sigmund“ ist ein Spiel mit unseren Erwartungen, die immer wieder und noch einmal charmant um die Ecke geführt werden.

Leider ist die Pressemitteilung so irreführend wie schulmeisterlich, daß wohl nur gutmütige Theorietrottel den Weg in die Vorführung finden. Mal ehrlich: Hätten Sie bei folgenden Zeilen was Gutes zu hoffen gewagt? „In ,Solo für Carlos und Sigmund‘ betrachten wir jetzt, daß (und wie) äußere Zwänge zur Unterdrückung von Bedürfnissen und spontanen Lebensäußerungen führen können – und suchen einen möglichen Ausweg aus diesen Beschränkungen.“ Nee, meine Herren, nee, dachte ich, nicht mit mir. Dennoch traf mich der Auftrag der Redaktion, das „Berühmt-Berüchtigte Theater“ zu inspizieren, denn der beteiligte Christoph Müller war als BE-Schauspieler in bester Erinnerung.

Wenn man die erste Hürde, die einführenden Worte des Regisseurs Peter Lüder als weißgekleideten Soft-Therapeuten in Birkenstocks, genommen hat und man noch immer nicht weiß, ob das nun ernst oder ironisch gemeint ist, wenn man diese Hürde also hinter sich hat, wird's köstlich. Dann treffen sich nämlich zwei Exhibitionisten vor einer Mädchenschule. Christoph Müller und Eckhard Müller geben zwei verschrobene Platzhirsche, eitel und beleidigt, aggressiv und gehemmt, genial übersteigert und doch vertraut. Das Stück von Marco Antonio de la Parra entwirft ein intelligentes und äußerst komisches Psychogramm der beiden Naturen. Und welche Wendungen das Stück nimmt! Die zwei armen Würstchen, mit einem besonders großen beziehungsweise kleinen ebensolchen versehen, liegen sich schließlich verliebt in den Armen: als Karl Marx und Sigmund Freud. Als solche brillieren sie mit Gesellschafts- und Persönlichkeitsanalysen, wie sie lustiger und skurriler nie betrieben wurden. Apropos: Es ist nicht wirklich übertrieben, die äußere Ähnlichkeit Christoph Müllers mit Udo Samel auch auf sein ähnlich gelagertes schauspielerisches Talent zu übertragen. Petra Brändle

„Solo für Carlos und Sigmund“ vom Berühmt-Berüchtigten Theater. Wieder am Sa. und So., 24./25. 2., 20 Uhr, Stückwerk, Rungestraße 20, Mitte