Werbezettel in akkuraten Fächern

■ Berlin Touristik Marketing will von Touristenwerbern, die Prospekte in den Informationsbüros auslegen, Kohle sehen

Die Touristeninformation obliegt seit Jahresbeginn privater Schirmherrschaft – unter dem Dach der Berlin Touristik Marketing (BTM). Wenn aus einer öffentlichen Anstalt ein privates Unternehmen wird, ist das naturgemäß mit Änderungen verbunden. So auch in diesem Fall. Früher war es so: Die Touristeninformation nahm 35 Mark ein, gab aber 1.000 Mark aus. Eine „Deckungslücke“ von 96,5 Prozent klaffte, welche Jahr für Jahr brav die Senatsverwaltung für Wirtschaft beglich. 1996, im Jahr eins der privaten Ära, soll es anders sein: Die Touristeninformation muß je ausgegebenen Tausender 175 Mark einnehmen. Die bestehende Differenz wird aus einem 4,5-Millionen- Topf ausgeglichen, den der Senat in diesem Jahr der BTM insgesamt für deren privatwirtschaftliche Bemühungen bereitgestellt hat.

Die neuen Herren von BTM müssen sich für die Informationsbüros am Brandenburger Tor und im Europa-Center (Neueröffnung Anfang März zur Internationalen Touristikmesse) was einfallen lassen, um an Geld zu kommen. Sie wollen da kassieren, wo es die Kleinen, die Off-Kinos und Off-Theater, trifft. Früher konnten Prospekte und Flyer kostenlos in den Büros ausgelegt werden.

Aus und vorbei. Ab 1. März soll jeder 100 Mark im Monat für die Auslage seiner Prospekte löhnen. Kulturanbietern werden 10 Prozent Rabatt gewährt. Die Prospekte schlummern dann sauber und akkurat auf drehbaren Ständern in Fächern, die optimal bestückt sind und von den Hostessen vor Ort immer nachgefüllt werden – wobei auch mal der eine oder andere Prospekt wieder zurechtgerückt oder, nach einer vorübergehenden unappetitlichen Begegnung mit einer möglicherweise fettigen oder verschwitzten Touristenhand, ganz aus dem Programm genommen wird.

„Fachpflege“ nennt sich dieneue Leistung im Deutsch der BTM. Ähnliches gilt für Plakate, die die Touristenwerber in den Informationsbüros aufhängen oder die sich auf „Aktionsflächen“ von ihrer besonderen Seite zeigen sollen. Der Preis richtet sich nach der Größe des Platzes. Zu Quadratzentimeterpreisen wollte BTM keine Angaben machen.

Zum Kundenpotential der Informationsbüros gehörten bislang neben Schiffahrtsgesellschaften, Busunternehmen, Schlittschuhbahnen auch Off-Theater und Off- Kinos. Zum Beispiel das Arsenal. „Da würden wir auf jeden Fall schlucken müssen“, sagt Kinoleiterin Milena Gregor. Jährlich 1.080 Mark könne man sich nicht so einfach aus den Rippen schneiden. Bei BTM ist man der Meinung, daß sich die Fachmiete „jeder Verein in Hintertupfingen leisten kann“. Im Vergleich zur Konkurrenz liege man mit den Mietpreisen sehr niedrig. Eine Rechnung, die aufzugehen scheint. Angeblich gibt es schon jetzt mehr Interessenten als zu vergebende Fächer. Christoph Oellers