Eusébio auf der Bank

Mit seinem größten Fußballer als Maskottchen spielt Portugal heute gegen Deutschland  ■ Aus Lissabon Theo Pischke

Rui Costas Tor kam selbst in Wahlkampfspots vor. Mit einer spektakulären Bogenlampe aus 25 Metern Entfernung hatte er im letzten Spiel der Europameisterschaftsqualifikation im November gegen Irland das 1:0 für Portugal erzielt. Die Begeisterung der 80.000 Zuschauer im Lissabonner „Stadion des Lichts“ steckte auf der Tribüne auch Jorge Sampaio an, den damaligen Bürgermeister der portugiesischen Hauptstadt und Präsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei. Costas Tor ließ Sampaio vom Sitz springen und jubelnd die Arme hochreißen. Eine Szene, die wenige Wochen später in Wahlkampfspots immer wieder über die Fernsehbildschirme flimmerte.

Am Ende gewann Portugal mit 3:0 und qualifizierte sich als Gruppenbester für die EM in England. Auch Sampaio siegte. Er wurde im Januar zum Staatspräsidenten gewählt. Das hat mit Sport eigentlich gar nichts zu tun. In Portugal allerdings werden Fußball und Politik kräftig vermischt. Vereinspräsidenten spielen eine führende Rolle in den Parteien. Spieler und Trainer sind mit ihrer enormen Popularität in Wahlkämpfen beliebte Werbefiguren.

Mittelfeldspieler Costa, der beim italienischen Verein AC Florenz unter Vertrag steht, wird auch heute in Porto gegen Deutschland dabei sein. Doch eine Reihe von Stammspielern wurden von Trainer António Oliveira nicht ins Aufgebot berufen. So werden die beiden Starstürmer Joao Pinto von Benfica Lissabon und Domingos Paciencia vom FC Porto nicht spielen. Oliveira experimentiert. „Von Joao Pinto und Domingos weiß ich schon, daß sie es können. Ich muß auch die anderen sehen“, sagt der 43jährige Trainer.

In den 21 Meisterschaftsspielen der laufenden Saison, in denen Domingos zum Einsatz kam, erzielte er insgesamt 22 Tore. Joao Pinto kam auf 8. Ebenso viele Treffer erzielte Paulo Alves von Sporting Lissabon. Er, sein Lissabonner Team-Kollege Ricardo Sá Pinto und António Folha vom FC Porto sollen dem portugiesischen Sturm, angetrieben von Rui Costa und Paulo Sousa (Juventus Turin), gegen Deutschland Druck geben und Tore schießen.

Im eigenen Tor geht Oliveira kein Risiko ein. Dort steht Vítor Baia, zugleich Kapitän der Nationalmannschaft. Baia spielt beim FC Porto. Bis zum 19. Spieltag kassierte er in der Meisterschaft lediglich drei Tore. Dann mußte er in einem Spiel gleich zweimal den Ball aus dem Netz holen. Ironie des Schicksals: Es waren zwei Eigentore seiner Mitspieler. Dennoch gewann Porto das Spiel und steht mit 13 Punkten Vorsprung unangefochten auf Platz eins der Meisterschaftstabelle.

Nationaltrainer Oliveira spielte selbst 24mal in der portugiesischen Nationalmannschaft. Als Trainer arbeitete er bei den Erstligavereinen Sporting Lissabon, Maritimo Funchal, Guimaraes, Barcelos und Braga. Seit zwei Jahren ist er Nationaltrainer. Kritiker meinten vor seiner Berufung, es könne zu Interessenkollisionen kommen. Denn zusammen mit seinem Bruder Joaquim betreibt Oliveira die Sport- Marketingfirma „Olivedesportos“, die etwa mit Fernsehübertragungsrechten für Fußballspiele handelt. Doch mit der Qualifikation für die EM hat Oliveira alle überzeugt.

Danach hat Portugal bisher zwei Spiele absolviert. In London spielte die Mannschaft 1:1 gegen England, in Paris verlor sie 2:3 gegen Frankreich. Dort hatte Portugal 1984 zum letzten Mal an einer EM teilgenommen – und den dritten Platz belegt. Auch England haben die Portugiesen in guter Erinnerung. Da wurde die Mannschaft bei der Weltmeisterschaft 1966 Dritter. Der beste Torschütze des Turniers war damals Eusébio. Der wird heute neben António Oliveira auf der Trainerbank sitzen. Denn immer wenn die Nationalmannschaft spielt, ist Eusébio als Botschafter und Sympathieträger des portugiesischen Fußballs mit von der Partie.