Umstrittene Indizien

Türkin als „Brandstifterin“ der eigenen Wohnung angeklagt. Verteidiger rügen Ermittlungen  ■ Aus Essen Walter Jacobs

Der Brand sorgte für Entsetzen. Kaum eine Woche nach dem mörderischen Solinger Brandanschlag stand plötzlich das Haus der türkischen Familie Ünver in Hattingen in Flammen. In Brand gesteckt von fanatischen Ausländerhassern? In den ersten Stunden nach dem Brand schien es so, als seien fünf Kinder und ihre Mutter nur knapp einem solchen Anschlag entkommen. Mit Spenden, Demonstrationen und Aufrufen bezeugten Tausende von Hattingern ihre Anteilnahme. Doch nach ein paar Tagen war es damit vorbei. Verantwortlich dafür war eine Mitteilung der Essener Staatsanwaltschaft: „Aufgrund der objektiven Tatbefunde“ stand für die Staatsanwaltschaft elf Tage nach dem Brand fest, „daß der Brand von einer der im Hause aufhältlichen Personen gelegt worden ist“.

Fast drei Jahre lang stemmen sich Familie Ünver, deren Anwälte und Freunde nun schon gegen diese Version. Die vermeintlichen Fakten der Staatsanwaltschaft, so die Kritik, widersprächen „in wesentlichen Punkten“ den Befunden von Sachverständigen und Zeugen. Gestern begann im Essener Landgericht der Prozeß. Die Staatsanwaltschaft wirft Yasar Ünver, der Mutter von fünf Kindern, vor, ihre eigene Wohnung an acht Stellen mit Papier und Holz angezündet zu haben. Die Frau habe kurz nach dem Solinger Anschlag von der großen Spendenbereitschaft profitieren wollen.

Konkrete Hinweise auf ein solches Motiv gibt es nicht. Vom ersten Tag ihrer Vernehmung an bestreitet die Angeklagte alle Vorwürfe. Im Prozeß selbst will sie nicht aussagen. Auch ihr Ehemann und zwei ihrer als Zeugen geladenen Kinder machten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Die ersten Zeugen schilderten gestern Yasar Ünver in der Brandnacht als eine „völlig schockierte Frau“. Sie habe geweint und immer wieder nach ihren Kindern geschrien und sei später in Ohnmacht gefallen. Noch vor der Zeugenanhörung hatte Verteidiger Wolfgang Weiermann die Ermittlungsbehörden scharf angegriffen: Daß seine Mandantin auf der Anklagebank sitzen müsse, habe etwas damit zu tun, „daß deutsche Täter für solche Verbrechen nicht gewünscht sind“. Es gebe „kein Indiz“ für eine Täterschaft der Angeklagten. Eine ähnliche Bewertung findet sich in der Erklärung einer Hattinger Solidaritätsgruppe: „Wir sehen in der Anklage gegen Frau Ünver eine Politik, Opfer ausländerfeindlicher Anschläge zu Tätern zu machen.“