Helden: Knechte Von Claudia Kohlhase

Dabei ist Heini nicht wirklich ein Knecht. Sowieso ist er ein hübscherer Mensch als seine verschiedenen Arbeitgeber, einmal ein Bauunternehmer, der ihn seit Dezember per Kolonne in den Harz schickt. Bei Bad Berne oder so ähnlich, das versteht man bei Heini nicht, weil er Wörtern nichts abgewinnt. Da jedenfalls baut Heini ein Hotel um, sieben Stockwerke Steine schleppen, da grinst er bloß, obwohl er doch so ein dünner Schlaks ist. Daß er mit seiner Arbeitsbeschreibung beeindruckt, findet Heini putzig, was macht er nicht sonst noch alles. Wozu hat er solche Hände, die Baumstämme wegwerfen wie andere Leute Taschentücher.

In der verwitterten alten Gaststätte verdient er sich, wenn er nicht in den Harz gefahren wird, Montag morgen um fünf, seinen Schnaps als Gelegenheitskellner. Sich Heini als Kellner vorzustellen, ist fast unmöglich. Heini als Kellner geht ungefähr so, daß er meistens sitzt und solange trinkt, bis einer kommt. Das dauert naturgemäß lange dort oben am Ende der Welt, und wenn nicht Knut, der Sohn von Kanneboom-Willi, manchmal dazukäme, wäre Heini über Stunden der einzige Gast, der sein eigener Kellner wäre.

Am Wochenende, wenn die Kolonne aus dem Harz zurückkehrt, läßt sich Heini von der alten Hexe abholen. Die alte Hexe ist eine reiche Frau mit Knusperhausanwesen, die ihr Knusperhausanwesen nicht alleine in Schuß halten kann. Darum kommt Heini samstags und latscht mit seinen Spinnenbeinen über den edlen Grund, um Sträucher abzusäbeln und Schwanenteiche zu versetzen. Zum Mißbehagen der Alten taugt Heini aber nicht als interessantes Faktotum, da er in der Regel auf ihrem Grundstück verschwindet, wenn sie nicht aufpaßt oder gerade keinen Schnaps zur Hand hat. Und wehe, wenn sie mit ihm spricht, dann trinkt er aus der eigenen Flasche mehr, als allen gut tut, vor allem den Sträuchern und den Teichen.

Zu Hause hat Heini auch ein Leben, aber er ist selten da. Frau und Sohn sind dem Dorf bekannt, der Hund auch, obwohl er schwarz ist und alles anfällt, was sich bewegt, außer Heini. Heini ist fünfundfünzig und sieht aus wie hundert, das macht der Regen, sagt er, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Heini findet übrigens nicht, daß er wie hundert aussieht, sondern höchstens wie siebzig-achtzig. Was machst du eigentlich den ganzen Tag, fragt er manchmal zurück, obwohl er das weiß, und grinst. Heini grinst gerne, und es steht ihm auch gut, weil es alle Falten in die Länge zieht. Außerdem redet es dann leichter aus ihm, jedenfalls in Verbindung mit Schnaps.

Wenn er geredet hat, schauen seine himmelblauen Augen seltsam geradeaus und am Gegenüber vorbei, als täten jetzt wieder ein paar Tage Schweigen not. Wie durch ein Wunder spricht er aber manchmal weiter oder stellt bei einer Bestellung, sollte noch ein Gast kommen, eine Nachfrage. Meist geht's aber ohne, da bei den Gästen im Prinzip klar ist, um wen es sich handelt.

Neben der Arbeit ist Heini noch mit dem Rauchen beschäftigt, auf das er sich sehr konzentriert, ebenso wie auf das Trinken. Alleine die Koordination von Trinken, Rauchen und Arbeiten erfordert im Grunde Heinis ganzes Leben, auf jeden Fall aber seine gesamte Aufmerksamkeit.