: „Man braucht den Gast“
Helmut aus dem Brandner Tal/Vorarlberg über Buckelpisten und Schneekanonen, Golf und Fremdenzimmer ■ Aufgezeichnet und bearbeitet von Brigitte Ritter-Kuhn
Brand im Brandner Tal. Ein Ort im österreichischen Bundesstaat Vorarlberg mit touristischer Tradition. Gewährsmann Helmut aus Brand ist Mitte Vierzig. Schon seit 17 Jahren ist er auf der Piste, als Angestellter im Schneesportbetrieb. Vor sechs Jahren hat er ein Haus gebaut. Für den Fremdenverkehr. Seitdem ist er auch selbständiger Herbergsvater. Seine Frau bedient die Gäste zu Hause.
...so wie es jetzt ist, könnt man es ohne weiteres lassen, aber wenn es über Nacht kalt wird, dann gibt es Bollen morgen, da ist es besser, man fährt drüber, und wenn es dann nachts anzieht, dann hält es länger, bis mittags etwa, als wenn man morgens fährt, dann fahren fünf, sechs Skifahrer rein und es ist wie vorher ...
Wenn es heut nacht schneit, geht morgens überall das Telefon ... Bist scho auf? ... und dann geht es um fünf wieder los.
Wir fahren jeden Tag gleich. Jeder hat seine Piste, aber normalerweise fahren wir Konvoi. Wenn es mehr Schnee hat, müssen wir die Hänge anders anfahren, aber da weiß jeder, was er zu tun hat ... eineinhalb Meter dagegen sind schwierig, ist eine langwierige Sache ... mit den alten Fahrzeugen war das unmöglich, der hier ist jetzt zwei Jahre, davor hatte ich einen sieben oder acht Jahre ... Jeder hat sein Fahrzeug, dafür ist er verantwortlich, es gibt nie zwei Fahrer bei einem Fahrzeug ...
Ich fahre schon 17 Jahre, früher mit einfacheren Geräten, schmaleren auch ... als Schüler mußten wir von der Schule aus alle rauf, Pisten treten, dafür haben wir dann einen Block bekommen, einen 30-Punkte-Block, da durfte man natürlich nur unter der Woche fahren, am Samstag/Sonntag nicht, da war alles für die Gäste ...
... wenn es warm ist, dann gibt es Buckel bis zwei Meter. Heute können die Leute gar keine Buckelpiste mehr fahren, es muß immer alles glatt sein, die sind so verwöhnt. Sonst kommen die Reklamationen, wir wollen eine glatte Piste, wir haben für eine glatte Piste bezahlt, wenn wir schon soviel bezahlen ... jeder schlechte Skifahrer kann hier fahren, aber die kriegen teilweise ein Tempo drauf ... und dann gibt es die schweren Kopf- oder Rückenverletzungen, wenn da unten ein Baum ist. Früher hat's den eben bei jedem Buckel hingeschmissen ...
... es geht das ganze Jahr, etwa 60 Leute sind wir, die einen schaufeln, die anderen haben Rettungsdienst, dann die am Lift ... Im Sommer wird alles geprüft und instand gesetzt. Wir haben auch sechs Kilometer Leitungen verlegt, unterirdisch, für die Schneekanonen, und Wasserteiche angelegt ... sehr kostspielige Sache, das Schneemachen.
... 77 haben wir mit der ersten Schneekanone angefangen, an der Mittelstation war immer der Schnee gleich weg. Jetzt haben wir insgesamt neunzehn. Mittlerweile gibt es computergesteuerte Kanonen, je nach Luftfeuchtigkeit, Wind, Temperatur stellen die sich selber ein, die Mischung aus Wasser und Luft, sind aber auch sehr anfällig ... was wir heuer neu haben, ist das Halfpipegerät, das hatten wir bis jetzt nicht, vorne eine Schneeschleuder mit Halbschalen, da wird genau die Rundung ausgefräst für die Snowboarder...
... wir müssen höher rauf wegen dem Schnee, wir sind jetzt bei 1.900 Meter, und da ist natürlich nicht immer schneesicher, wir müssen in allem höher rauf, die nächsten Bahnen müssen höher raufgehen, sind schon Pläne da ... Naturschützer sind dagegen, die Behörde schreibt eine lawinensichere Abfahrt vor, durch des müssen wir den ganzen Hang verbauen, das kostet ein Heidengeld, das kostet mehr als die Bahn ... aber da wird die Bebauung zu kostspielig, vorläufig wird da nichts draus, momentan wird die Pfänderbahn neu gebaut, die kostet auch 80 bis 90 Millionen, das Ganze gehört ja der Pfänderbahn ... wer bezahlt, regiert, die Bauern bekommen einen Pistenschilling pro Quadratmeter...
... normal geh ich immer einmal im Jahr in Arlberg mit der Frau, ein Tag oder zwei, nach Zürs, Lech – die haben meistens länger offen als wie mir, bei uns geht die Saison bis zum 17. April ... oder sonst sind wir immer, alle Fahrer, miteinander auf den Gletscher, zum Erfahrungsaustausch, wir fahren mit den Geräten hinauf, dann stellt die Firma Kässbohrer die neuesten Fahrzeuge vor, und jeder darf mal fahren, die neuesten Maschinen und Zusatzgeräte, letztens im Stubaier Gletscher, Piztal ... man muß immer neu dazulernen jedes Jahr, es kommen immer neue Geräte hinzu, neue Fräser gibt es jetzt für das Gletschereis, wie eine Holzraspel, wunderbare Pisten gibt das...
Seit einem Jahr haben wir einen Golfplatz, der erste in Vorarlberg ... man muß das alles bieten, Golf, Reiten, Tennis, zwei Hallen, Skifahren, so wie alle anderen Orte halt auch ... überall sieht man im Fernsehen Golf, wenn einer was von sich hält, macht er Golf, alle Rennfahrer, Skifahrer ... kann doch aber auch die ganze Familie spielen, oder? ... die Hotellerie hat gesagt, man muß was machen, das gibt's noch nicht bei uns, und das muß her, ja, es waren alle eigentlich dafür.
Jeder hat können Anteile und Aktien kaufen, die waren alle sofort weg, das ist interessant. Es gab zirka 300 Anteile, die Bevölkerung hier war natürlich bevorteilt, innerhalb von einem Monat waren 270 weg, die waren nicht so teuer, 60.000 Schilling einer, ich hab auch welche...
Ja, ja die Gäste ... sind immer dieselben jedes Jahr zur gleichen Zeit, man kennt sie schon, es ist eher so familiär.
Man lebt ja von ihnen, das ist klar. Ich hab vor sechs Jahren ein Haus gebaut, ohne Gäste geht's halt nicht, die Frau macht die Gäste zu Hause, und i bin do. Früher hatte jeder hier Gäste, ganz früher nicht, aber vor einiger Zeit, jetzt gibt es welche, die sagen, ich will nichts mehr wissen von dem, geh lieber in die Firma irgendwo arbeiten, die arbeiten bei der Firma Liebherr oder Suchard und sagen, Gäste brauch ich keine, mir genügt das, eine Wohnung, aber sonst ein Großteil lebt schon vom Fremdenverkehr, von den Gästen ... jeder Landwirt früher hat seine Maschinen nur mit den Gästen verdient, nicht mit der Milch. Als ich klein war, hat's geheißen, jetzt kommen die Gäste, das Zimmer wird vermietet, alles am Dachboden, das war immer eine Mordsgaudi, meistens kamen noch ein Haufen Kinder mit von den Gästen, und die haben dann auch auf dem Dachboden schlafen dürfen, da wurde jedes Zimmer vermietet, das ist klar, die Landwirtschaft alleine war nicht so ertragreich...
Man sieht den Gast heute mit anderen Augen, man ist älter geworden, man hat Schulden gemacht, man braucht den Gast, man braucht ihn einfach ... die meisten kommen aus Deutschland, Schweiz, Holländer auch ... aber wenn ich keinen Gast mehr sehen will, mach' ich einfach zu.
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