Katzenminze und vierbeinige Expressionisten

■ Netter Medien-Fake in der Villa Ichon: Wenn Kreatürliches zu Kunst wird / „Warum Katzen malen“ Liebenswerter Medien-Fake

In der Villa Ichon geschieht Ungewöhnliches. Zeitgenössische Kunst ist hier zu sehen. Ein Stück Stoff, auf dem mit grandiosem Gestus Farbkleckse plaziert sind. Ein Stück Tapete, im Stil des abstrakten Expressionismus übermalt. In Vitrinen ein Arrangement aus Pingpongbällen und Puppenarmen. Und an den Wänden Alltägliches wie Stuhlbeine, die durch sensible Kratzspuren zum Kunstwerk mutieren. Daneben Porträts und Biografien der vermeintlichen Künstler und Künstlerinnen und die parodistische Preisliste. Um die 75.000 DM werden verlangt. Ein stolzer Preis, wäre er ernst gemeint. Tatsächlich aber stellen in der Nobelvilla Katzen und Kater aus.

Die Villa Ichon also wagt sich auf fremdes Terrain. Aus Kalifornien hat der Bremer Verein die reizend-skurrile Nonsens-Schau „Why cats paint“ übernommen, als bisher einziges europäisches Haus. Denn Klaus Hübotter vom Freundeskreis der Villa Ichon ist nun mal Katzenfan und Besitzer von „Viktor“ und „Wurzelchen“ und hatte den Kontakt zu den neuseeländischen Autoren des Bestsellers „Warum Katzen malen“ aufgenommen. 1993 fand bereits eine Ausstellung mit Katzenkunst in San Francisco statt, warum dann nicht auch in Bremen?

Zur Vernissage am Freitag abend sind die Räume der schmucken Villa überfüllt. Menschen drängeln sich unter Stuckdecken und Kristallüstern, um zu sehen, was dran ist an der tierischen Kunst. Nicht nur Kunstfreunde, versteht sich, auch reichlich Katzenfans und einige Kinder halten den Atem an, als es heißt: „Die erste europäische Katzenausstellung ist eröffnet.“

Heather Busch und Burton Silver, die Autoren von „Warum Katzen malen“, 1995 im Benedikt Taschen Verlag erschienen, geben nicht nur Autogramme, sondern geduldig Auskunft. Sieben Jahre hätten sie auf diesem Gebiet geforscht, 50 Katzen beobachtet. Zum Beispiel den neuseeländischen Kater Smokey, der sich regelmäßig mit Katzenminze berauscht, bevor er auf der Leinwand Blumenwiesen, Schafe und flimmernde Lichtreflexe malt. Oder die weiße Katze Minnie, die in der Provence zum abstrakten Expressionismus gefunden hat. Oder aber Performance-Katze Misty aus Toronto, deren Bild „Beerdigung eines Airedales“ auf einer Auktion für 21.000 Dollar weggegangen sein soll. Sie selbst, so die beiden, hätten fünf Katzen zu Hause, aber keine hätte einen Hang zur Kunst. Ein wahrer Katzenjammer.

Heather Busch, die mit wilder Mähne und wallendem Gewand selbst einer Perserkatze nicht unähnlich, läßt ihre silbrigen Fischohrringe klimpern. Während Co-Autor Burton Silver, ganz in schwarz, eher einer drahtigen Kurzhaarkatze gleicht. Vor laufenden Kameras angerückter TV-Teams kraulen sich die beiden liebevoll den Rücken und schnurren genüßlich. Und dann lassen sie das werte Publikum schnurren. Es wird viel gelacht an diesem denkwürdigen Abend. „Das ist einfach skurril, mal was anderes“, murmelt eine Vernissagedame. Und auch Benedikt Taschen, geschäftstüchtiger Verleger mit Katzenallergie und eigens zur Vernissage angereist, freut sich über die gelungene PR-Aktion.

Wer allerdings allein vor zerknautschter Zewa-Rolle oder bekleckstem Wellblech steht, dürfte enttäuscht sein. Denn dann sind Busch und Silver schon lange wieder in Neuseeland, und die Austellung macht nur noch halb so viel Spaß.

Trotzdem: Immer wieder gibt es Erstaunliches zu sehen und zu hören. Oft verkümmerten die Begabungen, heißt es, weil unwissende KatzenbesitzerInnen dem Tier keine Malfarben zur Verfügung stellen würden. Dann sind die süßen Vierbeiner gezwungen, ihre Kreativität am Mobiliar auszulassen. Daß derart malträtierte Möbel ohne Frage Kunst, ja Plastiken sind, beweist die todernst-ironische Schau ebenfalls: Eine delikat zerfetzte Jalousie, exakt 114 mal 167 Zentimeter groß, gehört zu den Exponaten.

Weitere Details für alle, die ihren Schmusetieren zum Sprung in den Maltopf verhelfen wollen, finden sich im Buch. Hier geht es um magische Reliefmuster in der Katzenstreu und um den Beweis, daß Katzenkunst weit mehr ist als Reviermarkierung oder das Abreagieren überschüssiger Energie. Ein historischer Exkurs verfolgt die Pfotenmalerei bis in altägyptische Zeiten.

Hinterhältig wie konsequent wird das Brimborium um moderne Malerei attackiert. So konsequent, daß manche VernissagebesucherInnen irritiert scheinen. „Daß ist so eine Schnapsidee wie bei den Experimenten mit Affen“, sagte ein 44jähriger Bildhauer, „in zwei Jahren spricht niemand mehr davon.“ Ausstellungsinitiator Hübotter gibt sich diplomatisch: „Nach Beuys weiß ich nicht mehr, was Kunst ist.“„Ich bin außer mir“, erregt sich ein alter Herr, der die Miezenschau offenbar tatsächlich ernst nimmt, „was sich in diesen Tieren, die wir so wenig achten, abspielen muß. Das ist eine märchenhafte Kunst, kein Zweifel. Wenn ein deutscher oder französischer Maler so etwas komponieren würde, wäre er ein Meister. Wir haben die Tiere offenbar hoffnungslos unterschätzt, das sage ich mit 93 Jahren.“

Sabine Komm

Villa Ichon, bis 30. März