„Dieser Sommer trägt blond“

■ Mit „New Light '96“ wollen die FriseurInnen das Städtchen Bremen retten

Alle reden vom Vulkan – und niemand achtet auf den Vorderkopf. Doch der volle Vorderkopf, kombiniert mit einer strukturierten Hinterkopfpartie könnte Bremen retten. Er ist die Lösung für das erste Halbjahr '96: Bitte etwas mehr Leichtigkeit in Sachen Wirtschaftspolitik und Haupthaar, hieß es gestern in der Stadt – die Bremer Friseurinnen und Friseure stellten „New Light“, die Frisuren des Frühjahrs und des Sommers '96 vor.

„Wir denken positiv“, so der Tenor der kleinen Session bei „Dips, Drinks und Shakes“ in einem „American Restaurant“ (dessen Name hier nicht genannt wird). „Hier denken alle nur an Werder Bremen oder an die Verkehrsberuhigung im Viertel, also negativ“, beschwerte sich Friseur Frank Henrich. „Das sehen Sie an der Ausstrahlung, der Kleidung und an den Köpfen. Die Leute wagen nichts.“

Trash, gepflegt, ist das Codewort '96 der FriseurInnen. Junge, unbeschwerte Schnitte sind angesagt, die Grundform ist wie letztes Jahr der Bob, jedoch jetzt durchgestuft. Peter Ströbl, Fachbeiratsleiter der Bremer Friseur-Innung, präsentierte die Modelle.

Zum Beispiel Claudia. Mit besagtem strukturierten Hinterkopf. Oder Saskia, aus dem Bob gearbeitet, mit einem Finish aus Wachs und Gel. Oder aber die junge Powerfrau, nach vorne frisiert und natürlich mit Strähnen. Alle drei Damen im Haupthaar stark verwandt mit Heike Makatsch, halblang, in die Jahre gekommene Girlies aus den Sechzigern und BLOND.

„Blond, der Mega-Trend dieses Sommers“, so Peter Ströbl. „Popstar Madonna oder Modells wie Nadia Auermann und Claudia Schiffer haben es vorgemacht und bewiesen, wie aufregend blonde Haare sind“, so der Zentralverband des deutschen Friseur-Handwerks in Köln. Von dort werden zweimal jährlich die Trends an die KollegInnen vor Ort weitergegeben und dort „eigentlich widerspruchslos“ angenommen, sagen die Betroffenen.

Außer daß sie in Bremen jetzt eben auch noch die Vulkan-Krise zu bekämpfen haben. Aber zum Glück hört ja Frisur beim Haar nicht auf. „Es ist nicht wie in der letzten Saison der helle Teint vorgeschrieben“, versprach Karin Schröter, Kosmetikberaterin der Innung. Niemand muß blaß konsterniert daherkommen. „Die Lippen sollen wieder glänzen. Und zwar kräftig. Rot. Oder Pink. Es gibt auch wieder einen Lidstrich, der darf nach außen gezogen werden. Die Augenbrauen werden schön gezupft in Form gebracht, gut betont, jedoch nicht mehr so buschig.“

Die um Frohsinn bemühten Bremer FriseurInnen interessiert darüberhinaus auch noch das, was weiter unten zu betrachten ist. „Kurze Kleider, wenig Stoff“, freute sich Peter Ströbl. „Aggressiv und grell. Etwa so ein Rot, was man jetzt in England sieht. Das ist Mode, die von der Straße kommt.“ Und die man sich in Discos, auf Veranstaltungen sowie in Hamburg abgucken kann, verriet der Fachbeiratsleiter. Ohne Farbe gehe übrigens auch beim Haar nichts mehr – ein Haar ohne Farbe sei wie ein Bild ohne Rahmen. Dominante Blocksträhnen würden sich im Sommer kräftigst durchsetzen.

„Wir dürfen aber auch die Dauerwelle nicht vergessen“, warf eine Kollegin ein und war damit erneut beim Thema Leichtigkeit. Luftige, unterstützende Wellen sind angesagt, da müßten nun auch die Verbraucherinnen etwas umdenken. Naturkrause Frauen föhnen sich die Haare glatt.

Stichwort Blickfang Männerhaar: „Die sind sehr variabel geworden“, sagte Peter Ströbl und bat zwei repräsentative Modelle, ebenfalls in der Grundform Bob. Beide Herren in gestreiften Sakkos, beide im Stirnhaar luftig, beide mit zartrosa Lippen. „Manche sagen, das sehe feminin aus, ich finde das nicht – denken Sie nur an diesen Griff ins Haar, so von vorne nach hinten...“ (Peter Ströbl). „Mit ,New Light' kann Mann je nach Anlaß mit Seitenscheitel, zurückfrisiert, streng anliegender und glatter Frisur oder lässigen, ins Gesicht fallenden Strähnen seinen Auftritt proben“ (der Verband).

Knapp 500 Bremer Friseurinnen und Friseure gehen also nun „New Light '96“ an. Zunächst werden sie Anfang März die neuen Schnitte lernen. Dann „bringen wir das neue, positive Erscheinungsbild auf den Markt“, sagt der Friseurmeister. „Bremen sollte sich nicht länger so zurückhaltend und konservativ verhalten.“ Aufbruchsstimmung brauche die Stadt. „Hamburg ist da einfach einen Touch weiter.“ sip

Zu ihrer Imageverbesserung gab die Friseur-Innung außerdem bekannt, daß von jedem Hundertmarkschein für den Schnitt nach Abzug von MWSt, Ware, Personal, Miete etc. exakt 5 Mark 23 Gewinn übrigblieben.