Privater Wachschutz für Krisenregionen

■ In den Niederlanden gibt es seit kurzem keine Wehrpflicht mehr. Ende 96 werden zuletzt Einberufene vorzeitig entlassen

Seit Anfang Februar gibt es keine Einberufungsbefehle mehr: In den Niederlanden verläuft die Umwandlung der Landstreitkräfte zur Berufsarmee so rasch, daß die Abschaffung der Wehrdienstpflicht vorgezogen wurde. Wehrpflichtige würden nicht länger benötigt, gab der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Meijling, bekannt. Bei der Armee würden sich ausreichend Berufs- und Zeitsoldaten melden.

Den vorverlegten Zeitpunkt hatte der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte, Generalleutnant Couzy, veranlaßt. Ausschlaggebend dafür, die Zahl der Streitkräfte zu verringern und sie zugleich in eine Berufsarmee umzuwandeln, waren die politischen Veränderungen in Osteuropa und die sich daraus ergebenden Einsparmöglichkeiten sowie die Teilnahme an internationalen Friedensmissionen.

Die 550 zuletzt einberufenen Wehrpflichtigen werden in den Niederlanden zum 1. September dieses Jahres vorzeitig entlassen. Derzeit leisten noch etwa 9.000 Wehrpflichtige den Dienst an der Waffe. Indes wird in Hollands Medien um Berufssoldaten geworben. Ihnen winken Zeitverträge von zweieinhalb Jahren. Allein die Landstreitkräfte haben nach eigenem Bekunden jährlich einen Bedarf von 7.200 Mann. Für den Fall, daß auf diese Weise nicht ausreichend Einheiten gebildet werden können, will man auf etwa 45.000 Reservisten zurückgreifen. Nach Beendigung der Reform soll die niederländische Armee noch 70.000 Soldaten inklusive Zivilpersonal umfassen. Für den Fall, daß künftig doch mehr Leute benötigt werden, hat Generalleutnant Couzy vorgeschlagen, Mitarbeiter von Wachschutzunternehmen zu verpflichten. Dem Verteidigungsministerium wurde von privater Seite ein Sponsoring für Krisensituationen angeboten. Ein Bataillon von 650 meist ehemaligen Soldaten soll in Sonderfällen aushelfen – wenn etwa die Teilnahme an Uno- und Nato-Missionen angesagt ist.

Erstmals nach Abschaffung der Wehrpflicht wurde indes ein Totalverweigerer verurteilt. Und 450 weitere sollen noch vor Gericht erscheinen. Ihnen drohen sieben Monate Gefängnis. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dafür plädiert, dieser Gruppe keine Absolution zu erteilen, um die Rechtsgleichheit zu wahren. Mit dem Ende der Wehrpflicht endet auch ein besonderer Umgang mit den „Verweiger-Yuppies“.

Seit 1992 versucht das Verteidigungsministerium, hartnäckige Verweigerer am Ende dennoch für den Militärdienst zu gewinnen: Monatlich wurden 50 Totalverweigerer, die zum Teil jahrelang prozessiert hatten, ausgewählt und in die Kolonel-Palm-Kaserne nach Bussum einberufen. Einmal dort, konnten sich die Verweigerer erneut auf ihre Gewissensfreiheit berufen.

Insgesamt 1.500 Totalverweigerer wurden nach Bussum rekrutiert, 1.150 sollten schlußendlich dem Dienstbefehl folgen und den grünen Dreß überziehen. Nur 300 willigten ein, alle übrigen müssen mit einem Strafverfahren rechnen. Im März entscheidet das niederländische Verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme. Harald Neckelmann, Den Haag