Baulöwe läuft Amok

■ Chef einer Baufirma will Belegschaft beim Arbeitsamt zwischenparken / Gewerkschaft aus dem Betrieb geworfen

Zurückversetzt in die schlimmsten Zeiten des Frühkapitalismus dürften sich die 130 Beschäftigten der Baufirma Brünjes fühlen. Der größte Betrieb des Örtchens in Vollersode im Kreis Osterholz-Scharmbeck ist offensichtlich in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Nachdem Firmenchef Bernhard Brünjes weitgehend auf die Zahlung der Januar-Löhne, Sozialabgaben und Krankenkassenbeiträge verzichtet und einen Teil seiner Belegschaft entlassen hat, legte er nun dem Rest nahe, selbst zu kündigen, bevor er fristlose Kündigungen ausschreibe. Mangels Betriebsrat holte sich die verunsicherte Belegschaft in ihrer Not Schützenhilfe bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Darauf reagierte Brünjes am Montag bei der Betriebsversammlung ausgesprochen sauer: Er warf die beiden Gewerkschaftsvertreter der IG Bau sofort nach deren Ankunft unter Androhung einer Strafanzeige hinaus.

Einer von ihnen ist Michael Schell, Sekretär des Bezirksverbandes Bremen. Als „äußerst merkwürdig“ bezeichnet er schon die Ereignisse im Vorfeld dieses Rausschmisses. Denn offensichtlich sprach Brünjes, um lange Kündigungsfristen zu vermeiden, einem Teil der Belegschaft die Kündigung „rückdatiert“ für den Dezember aus. Das aber wäre Betrug, also ein Straftatbestand.

Wahrscheinlich aus Angst vor Folgen wandelte Brünjes am Montag diese Kündigungen in fristlose Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen um. Das wiederum sei absurd, meint Schell, denn auch bei betriebsbedingten Kündigungen müssen die Kündigungsfristen eingehalten werden, die sich nach der jeweiligen Beschäftigungsdauer richten. Einige Arbeitnehmer hätten Anspruch auf eine mehrmonatige Kündigungsfrist.

Nach eigenen Angaben entließ Brünjes bisher „70 bis 80 Prozent“ seiner Belegschaft. Er wolle die ArbeitnehmerInnen, erklärt er, lediglich „beim Arbeitsamt zwischenparken“. Und zwar solange, bis der Frost aus dem Boden ist und man wieder auf den Bau gehen könne. Spätestens Ende März werde er seine Leute wieder einstellen. Die Auftragslage sei besser denn je, wischt er Konkursgerüchte beiseite. Der Liquiditätsengpaß sei lediglich eine Folge vom Wetters und Zahlungsunwillen einiger Kunden.

Zu der Frage, warum es bei Brünjes keinen Betriebsrat gibt, will der in Arbeitnehmerkreisen als gewerkschaftsfeindlich bezeichnete Firmenchef sich lieber nicht äußern. Auch beim Stichwort „rückdatierte Kündigungen“ verebbt der Redefluß des Firmenchefs für einen Moment: „Davon weiß ich nichts“, erklärt er und ergänzt: „Alle Maßnahmen sind mit dem Arbeitsamt abgesprochen“. Das betreffe die fristlosen Kündigungen ebenso wie seinen Appell an die Arbeiter, freiwillig zu kündigen. Brünjes beinahe devot: „Wenn ich das so vom Arbeitsamt höre, dann mache ich das so.“

Beim Arbeitsamt aber führt diese Darstellung eher zu Belustigung. „Das hat der Brünjes gesagt?“, fragt Uwe Haase, Dienststellenleiter des Arbeitsamtes in Osterholz-Schwarmbeck ungläubig zurück und dementiert: Die nicht fristgemäßen Kündigungen seien keineswegs mit dem Arbeitsamt abgesprochen. Er habe lediglich den Arbeitern erklärt, daß, wer die unbefristete Kündigung nicht arbeitsrechtlich angeht, beim Arbeitsamt mit einer Sperrfrist rechnen muß. Haase bestreitet auch, das saisonnale „Zwischenparken“ der Belegschaft beim Arbeitsamt mit Brünjes abgesprochen zu haben. Schließlich ist fraglich, ob diese Art der Entsorgung erlaubt ist. Haase: „Die rechtliche Würdigung überlasse ich der Arbeits-Gerichtsbarkeit.“

Tatsächlich wird der Name Brünjes wahrscheinlich bald beim Arbeitsgericht bekannt. Denn für die IG Bau steht fest: „Wir klagen!“ Sie wird für alle Mitglieder „Massenklagen“ formulieren, die sowohl die ausstehenden Löhne betreffen als auch die Kündigungen. Allein am Montag nahm Michael Schell, nachdem er von Brünjes hinausgeworfen worden war und nebenan in einer Kneipe Posten bezogen hatte, 40 Klagen auf. dah