■ Daumenkino
: Mutters Courage

So unwohl wie einem schon bei Brechts Johannas, Pelagea Wlassowas und Hanna Kaschs und fruchtbaren Schößen und so weiter ist, so unwohl wird einem auch bei Michael Verhoevens schrecklichen Mädchen und seiner Adaption von George Taboris Geschichte aus dem Leben seiner Mutter. Diese wuchtigen Brummen verbellen jeden Staat, Priester, SS- Mann, und auch jeden anderen Mann, so daß der Weg konvenienter Weise frei ist für den Sohn. Ob ein solches Bubenstück allerdings den aufgeschulterten Geschichtslasten gewachsen ist, bleibt anzuzweifeln.

Verhoeven also mit der Geschichte von Taboris Mutter 1944 im besetzten Budapest. Die enorme Unsicherheit des Filmemachers, er könne ohne irgendeine Form von Autorisierung durch die Opferseite schlankerhand zum Täter werden, schlägt sich in einer Ästhetik nieder, die den Film zum Verkehrskindergarten, zur Weizsäcker-Choreographie macht. Ein absolut heruntergewirtschafteter Verfremdungseffekt (wenn der je etwas taugte) jagt den nächsten, damit bloß niemals ein Aggressiönchen herausschlüpft. Man sieht den Drehort Babelsberg, man sieht Tabori im tragischen Mantel hereinschlurfen, man sieht ihn wie ein Maskottchen des Regisseurs in den Szenen auftauchen und die SS-Schergen am Revers zupfen. Es gibt auch keinen Grund, warum jemand, der selber Opfer war, keinen Holocaust-Kitsch (mit-)produzieren sollte – wer sich einmal in israelischen Gedenkstätten umgesehen hat, erlebt sein kerzenbekränztes Wunder. (Oder nicht verwunderlich: Kitsch ist immer beeindruckender als Abstraktion.)

Elsa Tabori also (Pauline Collins, die permanent mit freundlichen blauen Augen zwinkern muß) wird auf dem Weg zu ihrer Schwester von Geheimpolizisten verhaftet, auf dem Westbahnhof mit viertausend anderen in Viehwaggons verfrachtet, um nach Auschwitz deportiert zu werden. Durch forsches Aufsuchen eines SS-Mannes kann Tabori entkommen. Verhoeven montiert stets Aufnahmen der Zusammengepferchten mit welchen aus dem gegenüberstehenden Zug, in dem gezecht, gehurt, gefressen wird. Diese spießige Antidekadenz fehlt in Taboris Geschichte völlig. Hingegen fehlt bei Verhoeven eine Szene, in der ein anderer Deportierter Elsa im Viehwaggon unter den Rock greift, was sie nicht ungern geschehen läßt. Klar: nur Nazis schlemmen und wollüsten. Auf der Berlinale erklärte Verhoeven niedergeschlagen, warum er diese Szene herausgeschnitten habe: jaja, der George habe auch kritisiert, in Deutschland würden die Opfer immer entsexualisiert (hat Tabori keine anderen Sorgen?), aber einige Überlebende hätten auf dem Festival in Toronto gesagt: „Michael, das ist nicht schön, laß das doch weg.“ Ja, dann... mn

„Mutters Courage“, Regie: Michael Verhoeven