■ Wird das Zitat „Soldaten sind Mörder“ künftig strafbar?
: Niedrige Gelüste

Ihren niedrigen Gelüsten nachgebend, hat sich jetzt die Bonner Regierungskoalition entschlossen, der Freiheit einen Riegel vorzuschieben und das freie Wort in Form des Zitats zu verbieten. „Soldaten sind Mörder“, schrieb Tucholsky 1931 in der Weltbühne. „Öffentliche Verunglimpfungen von Soldaten in Bezug auf ihren Dienst werden bestraft“, empfiehlt unser neuer Justizminister Schmidt-Jortzig als neue Strafnorm in unser Strafgesetzbuch aufzunehmen. Die Vagheit der Formulierung dient zweierlei: Zum einen sollen möglichst viele Arten von Verbalattacken gegen Soldaten erfaßt werden können, zum anderen soll nicht auffallen, daß man ein Verfassungsgerichtsurteil zu unterlaufen strebt. Das aber ist das Ziel der Maßnahme: Dem sogenannten Soldatenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr den Garaus zu machen. Dieses hatte geurteilt, daß der Soldaten-Mörder-Satz nicht per se eine strafbare Ehrverletzung darstelle. Die höchsten Richter hatten, ganz wie es ihre Aufgabe ist, abgewogen zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht. Sie befanden, daß die Waage sich zugunsten der Freiheit des Wortes zumindest dann senkt, wenn nicht konkrete Soldaten als Mörder verunglimpft werden.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Politiker, die bei den wichtigen Fragen unseres Sozialgefüges in Permanenz versagen, bei Fragen der vermeintlichen Ehrverletzung so getrieben agieren. Aber bitter ist es doch, feststellen zu müssen, daß diese Vertreter noch nicht einmal das kleine Einmaleins von Rechtsstaatlichkeit verstehen. Dazu gehört es nämlich auch, einen Richterspruch der Verfassungshüter zu akzeptieren und nicht gegen ihn mit Gesetzen aktiv zu werden. Schließlich aber ist die Initiative dumm: Denn entweder ist ein entsprechendes Gesetz verfassungswidrig und wird sogleich vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben. Oder es ist überflüssig, denn Ehrverletzungen werden auch bislang schon vom Beleidigungsparagraphen des Strafgesetzes erfaßt.

Eigentlich weiß das gerade Schmidt-Jortzig. Denn er polemisiert („Stimmungsmache“) seinerseits gegen Herrn Glos, Landesgruppenchef der CSU, der gerne einen generellen Ehrenschutz von Uniformierten bei den Beleidigungsdelikten eingeordnet wissen will. An der verfassungsrechtlich notwendigen Abwägung würde es nichts ändern, sagte der Justizminister. Weshalb er allerdings diesem Gebot der Abwägung zu entgehen hofft, wenn er seinen Verunglimpfungsparagraphen bei den Strafnormen gegen den Landesverrat einordnet, bleibt sein Geheimnis. Julia Albrecht