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: Shorty - der Film zum Buch

Seit zirka 1929 sagt der englische Volksmund, man solle ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen. Die Redensart zielt, wie es Redensarten so an sich haben, vermutlich auf etwas anderes als die Aussagekraft von Buchumschlägen, ist, um mal den Sinn eines Germanistikstudiums zu verdeutlichen, tatsächlich eine Metapher. Von der ist es nicht weit zur Lyrik von Klappentexten. Soll, kann, darf man also ein Buch wenigstens nach seinem Klappentext beurteilen?

Um Himmels willen, nein. Daß der Waschzettel, wie die Bescheidwisser so was nennen, gefälligst mit Vorsicht, ja Mißtrauen zu lesen sei, lernt man heute spätestens in der Orientierungsstufe. Aber daß den jemand schreibt, der zumindest jemanden kennt, der jemanden kennt, der das Buch nicht nur flüchtig gelesen hat, das erwartet der zum Kauf des Buches überredete Mensch, wenn nicht mit Fug, so doch mit Recht. Sonst gerät man als Leser in Untiefen, aus denen es keine Rettung gibt. Wie bei der Taschenbuchausgabe des Krimis von Elmore Leonard, der dem gerade angelaufenen Film „Schnappt Shorty“!“ zugrunde liegt.

Wenn, wie in diesem Fall, so gut wie kein Wort der Inhaltsangabe wahr ist, passiert nämlich folgendes: Seite um Seite wartet man darauf, daß die Hauptfigur Chilli Palmer endlich das „von einem säumigen Schuldner“ eingetriebene Geld „in einer Nacht in Las Vegas verspielt“. Las Vegas aber bekommt Chilli nicht mal aus der Ferne zu Gesicht. Laut Klappentext trifft Chilli in Los Angeles „seinen alten Freund Harry Zimm“. Auf Seite 32 begegnen die beiden einander, und Chilli ist „ein Bursche“, den Harry „nie zuvor gesehen hatte“. Und so weiter. Ist der falsche Film, in dem man zu sein meint, vielleicht in der Verfilmung der richtige? Keine Ahnung, immerhin ist die Taschenbuchausgabe drei Jahre alt.

Was lernt mich das? Wenn auf einem Buchumschlag steht „Soldaten sind Mörder“, dann sind ab sofort entweder Tucholsky-Texte drin oder bis zu drei Jahren Haft wegen Verunglimpfung der Bundeswehr. Dietrich zur Nedden