Bruderwirtschaft im Land Sachsen

■ Firmenpleiten häufen sich. Biedenkopf zitiert die Treuhand-Nachfolgerin zum Krisengipfel nach Dresden

Dresden (taz) – Im Erzgebirge sterben die Firmen wie Fliegen im Herbst. Bei der Germania Chemnitz geht der Sequestor um und die Belegschaft hält den Betrieb besetzt. Neben der Foron Haushaltgeräte GmbH, die vergangene Woche vom türkischen Koc-Konzern sitzengelassen wurde (die taz berichtete), sind in der Region Aue/Schwarzenberg vier weitere Firmen vom Konkurs bedroht. Auch das Erkalten der Bremer Vulkan wird Westsachsen zu spüren bekommen: Die Union GmbH Chemnitz ist eine Tochtergesellschaft. Auch sie steht steht vor dem Aus.

Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf setzt auf das Prinzip Hoffnung. Für den 6. März hat er die Treuhand-Nachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) zum Krisentreffen zitiert. Die Behörde stehe in der „Nachsorgepflicht“ für fehlgeschlagene Privatisierungen, argumentiert der CDU-Mann.

Dem Betriebsrat der Germania versprach Biedenkopf gestern Landesunterstützung. Das Unternehmen mit derzeit 250 Beschäftigten war von der BvS für ein symbolisches Markstück an den indischen Investor Rajesh Shah verkauft worden. Der Käufer bekam zudem eine Anschubfinanzierung von 100 Millionen Mark, von der die Behörde inzwischen 15 Millionen wieder zurückverlangt hat. Außerdem wurde er damals von 68 Millionen Mark Altschulden entlastet.

Investiert wurde indes nichts in die traditionsreiche Firma, die vor allem mit dem Bau von Chemieanlagen groß geworden ist. Der Bereich Forschung und Entwicklung wurde sogar ganz eingestellt. „Trotz Privatisierung keine Sanierung“, kommentiert der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Jürgen Richter.

Über die Privatisierung schweigt Biedenkopf

Biedenkopf will nun bei einer „zweiten Privatisierung“ helfen. Das Land werde „alle Anstrengungen unternehmen, Germania zu erhalten, aber immer prüfen, daß die Mittel, die in Chemnitz eingesetzt werden, eine Zukunft haben.“ Über „verschüttete Milch“, die fragwürdige Geschichte einer „schlampigen Privatisierung“, wie sich Betriebsrat Ottfried Frenzel ausdrückt, wolle Biedenkopf „zur Zeit nicht sprechen, obwohl es da einiges zu besprechen gäbe“.

Schon Ende 1994 hatte Germania-Betriebsrat Jürgen Andreas an den Landtag, das Wirtschaftsministerium und die Treuhand-Nachfolgerin BvS appelliert: Der Firma drohe der Konkurs, wenn man nicht „dem Management das Handwerk“ lege. Aufsichtsratsvorsitzender bei Germania war von 1992 bis 1994 Gerhard Biedenkopf, Bruder des sächsischen Ministerpräsidenten. Der aber war, so die gestrige Darstellung des Politikers, vertraglich „in seinen Kompetenzen eingeschränkt“.

Die SPD-Fraktion hatte zur Situation im Erzgebirge eine aktuelle Debatte im Landtag beantragt. Biedenkopf traf sich am Rande der Debatte mit den Betriebsräten von Germania und Foron. Den vom Aus bedrohten Kühlschrankherstellern berichtete Biedenkopf von einem Anruf aus dem Haus Neckermann: Dort wünsche man, daß Foron-Produkte weiterhin im Angebot bleiben können. Auch Foron-Geschäftsführer Hans Jochen verbreitete Optimismus: Im Auftrag der Landesregierung erarbeite ein unabhängiger Gutachter ein Konzept zur Rettung des Kühlgeräte- und Waschmaschinenherstellers. Die Auftragslage sei die „bisher beste in der Geschichte des Betriebes“, sagte Schulz. Es lägen Bestellungen für 12.500 Kühlschränke vor. Allein im Februar seien 10.000 dazugekommen. Der Betrieb habe endlich auch Partner im Westen Deutschlands gefunden.

Vor dem Landtag demonstrierten derweil Belegschaftsmitglieder: „Wir sind auch ein Vulkan“, lautete die Drohung auf den Transparenten. Detlef Krell