Kein Verlaß auf reife Männer

■ Jugend turnt: „Der Mann ohne Schatten“ (20.15 Uhr, RTL)

Hat das reifere Semester noch Televisionen? Gibt es so was wie ein Alterswerk von Derrick-Autoren und den Regisseuren von „Der Alte“ und „Der Kommissar“? Von Herbert Reinecker (81), Volker Vogeler (65), Paul Henge (65), Günter Gräwert (65), von Jürgen Goslar (69), Dietrich Haugk (70), Franz Peter Wirth (76) und dem frühreifen Gero Erhardt (52)?

Ihre gründelnde Psychologie führte uns weiland bei schmuddeliger Musik von dem Grünwald der Reichen hinab in den grottenfeuchten Campari-Dschungel der Schwabinger Stripteaselokale. Ihre Kommissare waren besser gekleidet, nie waren Polizeibrillen teurer. Und nie! nie! nie! waren Huren älter und so medusenschön wie in ihren „psychologischen Krimis“. Ja, schnief, ihre Kastrationsangst hatte das Unverwechselbare. Und so wollte man sich schon auf ihr postödipales Spätwerk freuen, auf eine senile Racheserie, in der die Fahnder von heute als die Mutterschänder entlarvt werden, die sie sind ...

Doch nein. Die reifen Mannen rund um den Produzenten Helmut Ringelmann liefern uns jetzt diese Montagsserie „Der Mann ohne Schatten“ ab. Es ist ein Jammer! Dort turnt die Jugend nur so vor sich hin. Gerd Böckmann (52) spielt den Kopfgeldjäger mit der neujapanischen Philosophie des Kendo und dem Herzen des deutschen Mineralwassers. Christian Berkel (38!) hilft ihm brüderlich. Und Evelyn Opela macht uns die Kopfgeldjägerfrau mit dem bißchen Gefühl. Zwar sind die drei sehr gut gekleidet. Aber ihre Aufträge sind viel zu international, um ins Mütterlich-Heimische, ins münchnerisch Rot-Seidige absumpfen zu können. Statt dessen müssen sie Waffenschieber jagen, Terroristen, Agenten, Mafiosi, Plutoniumschmuggler. Immerzu explodiert was hinter dem Bildschirm statt in Männerherzen ...

Heute abend dürfen diese „Headhunter“ einen Wahnsinnigen fangen, der einen 22-Uhr-Tick hat und allerlei Leute umnietet, weil er von seiner Mutter nicht geliebt wurde. Das hat von der Story her noch das vertraute Morbide: „Er mordet, um geliebt zu werden.“ Aber heute wird auch klarwerden, daß die Altherrenriege ihre alte Männerphantasie verraten hat. Statt ihre Helden argonautisch ins Strudelige, ins Ewigweibliche abtauchen zu lassen, haben sie das Weibliche entmystifiziert – und zu einem mobilen Helden hochgemöbelt: in Form dieser matten Kopfgeldjägerfrau. Wohl deswegen ist ihr Helden-Mann so hart drauf wie ein Zenmeister mit Säbel und rasselt blindlings einer reinen Action-Dramaturgie hinterher: Er muß jetzt Muttern rächen, statt sich vor ihr zu retten, so wie früher, als das noch übel und üblich war... Marcus Hertneck