Hoffen auf das Wunder

■ Jüdische Gemeinde Bremen: Der Friedensprozeß in Israel muß fortgeführt werden

„Israel schwört Rache“, titelte die Bild-Zeitung nach den jüngsten Anschlägen der palästinensischen Organisation Hamas. Unsinn, kommentiert Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Bremen. „Es geht nicht um Rache, nicht darum zurückzuschlagen. Es geht um die Frage, wie wir uns retten können.“

Die Stimmung unter den etwa 600 Mitgliedern der Gemeinde beschreibt Noa als „sehr gedrückt“. Alle seien schockiert, nachdem am Montag erneut ein Bombenanschlag der Hamas in Tel Aviv mindestens 20 Menschen getötet und mehr als neunzig verletzt hat. „Noch ein Anschlag, dann hat wohl niemand mehr Hoffnung auf Frieden“, fürchtet Elvira Noa. Das für das Wochenende geplante Purim-Fest wird in Bremen nicht stattfinden, jedenfalls nicht in der für den jüdischen Karneval sonst typischen Form. „Mit Sicherheit wird es keine fröhliche Tanzparty.“

Politische Diskussionen werden in der Bremer Jüdischen Gemeinde, die zu mehr als 60 Prozent aus russischen Übersiedlern besteht, nur selten geführt. Viele Mitglieder waren noch nie in Israel und haben in Rußland nur wenig über Israel erfahren können. Umso größer die Hilflosigkeit, Einschätzungen oder gar Perspektiven zu entwickeln. Im Moment, erklärt Elvira Noa, warte jeder darauf, daß irgendjemand kommt und den Terror in Israel beende.

Doch zur Zeit weiß niemand, wie das Blutvergießen gestoppt werden kann. So sei im Rückblick die vom israelitischen Ministerpräsidenten Peres genehmigte Ermordung des Palästinensers Jahja Ajasch, des „Ingenieurs“, ein Fehler. Doch anfangs war damit, erklärt Noa, in Israel „eine berechtigte Hoffnung“ verbunden. Man habe nicht damit gerechnet, daß das Medusenhaupt des palästinensischen Terrors so viele Köpfe habe. Das mag im Nachhinein naiv erscheinen, erklärt Noa, die das Attentat des israelitischen Geheimdienstes auf den „Ingenieur“ von Beginn an für unsinnig hielt. „Wenn man sieht, wie die Mütter Söhne produzieren, um sie in den Himmel zu jagen“, mache so eine Aktion nun mal keinen Sinn.

„Fast eine hilflose Reaktion“ sei auch das Dichtmachen der Grenzen. Schließlich sei die Hamas bereits im Land. Die Errichtung der zwei Kilometer tiefen Sicherheitszone um das Westjordanland ist, so Noa, nur eine Notlösung. Damit aber ist 40.000 Palästinensern der Weg zur Arbeitsstelle versperrt, Kranke können nicht in die Hospitäler nach Ostjerusalem transportiert werden. Trotzdem hält es Noa für unwahrscheinlich, daß die Maßnahme der israelitischen Regierung neuen Haß auf seiten der Palästinenser schüren könnte. „Die wissen schon, wem sie das zu verdanken haben“, meint sie.

Ein Weg aus dem Kreislauf der Gewalt aber könnte ihrer Meinung nach nur mithilfe der Europäischen Gemeinschaft und der USA gefunden werden. „Die müssen mithelfen, die Nester der Hamas auszuräumen.“ Außerdem müsse die BRD sämtliche wirtschaftliche Kontakte mit dem Iran und Syrien abbrechen. „Wenn das nicht passiert, ist alles unglaubwürdig.“

„Das ist kein üblicher Krieg, den kann man nicht mit verstärkter Gewalt bekämpfen“, warnt Helmut Hafner, zweiter Vorsitzender der deutsch-israelitischen Gesellschaft. Man könne der Gewalt nur begegnen, wenn man die soziale Situation der palästinensischen Bevölkerung verbessere. Deren Lebensbedingungen in Gaza seien schrecklich, da habe auch die Europäische Gemeinschaft, kritisiert Hafner, bislang versagt. „Wir brauchen eine Art Marshall-Plan für den Nahen Osten“, meint er. Ohne menschenwürdige Lebensbedingungen für alle gebe es keine menschenwürdige Politik.

Insofern sei es schon ein Wunder, daß der Friedensprozeß überhaupt in Gang gekommen sei. „Wenn er zerstört wird, geht der Schrecken weiter. Ich hoffe jetzt, daß sich das Wunder wiederholt.“ Alle Überlegungen der deutsch-israelitischen Gemeinschaft gehen daher zur Zeit in dieselbe Richtung: Was können wir können wir in Bremen tun, um den Friedensprozeß zu festigen? Geplant ist, eine gemeinsame Erklärung mit in Bremen lebenden Palästinensern herauszugeben. Eine Art Aufruf, dessen Tenor Hafner so beschreibt: „Jeder soll versuchen, dazu beizutragen, in den eigenen Reihen den Schmerz zu überwinden und den Friedensprozeß weiterzuführen.“ dah