CSU gauweilert sich nach oben

Das rot-grüne Bündnis bietet statt Koalitionszoff und Skandalen solide Arbeit, trotzdem ist die CSU Favoritin der Kommunalwahl in München  ■ Von Felix Berth

Manchmal hat der grüne Umweltreferent Joachim Lorenz einen Traum. Darin sieht er eine erfolgreiche rot-grüne Münchner Koalition, deren Arbeit vom Wähler honoriert wird. Wie gesagt, ein Traum, was auch Lorenz einsieht: „Ich fürchte, daß unser Bündnis in der Öffentlichkeit unterbewertet ist.“ Seine Parteikollegin, die dritte Bürgermeisterin Sabine Csampai, sieht das ähnlich: „Wir haben nicht die angemessene Resonanz“, sagt sie nach sechs rot-grünen Jahren in München.

An Koalitionszoff wie in Düsseldorf kann das nicht liegen, denn solche profilneurotischen Querelen leistet sich das Bündnis nicht. Auch Gerangel um Posten und Positionen wie in Frankfurt hat es in der bayerischen Hauptstadt seit 1990 nicht gegeben. Und Skandale durch persönliche Bereicherung, wie sie bei der Münchner CSU zur Zeit gehäuft auftreten, wurden ebenfalls nicht bekannt.

Bei vielen Sachthemen liest sich die rot-grüne Bilanz auch ganz ordentlich – zum Beispiel beim Ausbau der Münchner Straßenbahn, der Verkleinerung des Müllbergs, bei der Kursänderung in der Energiepolitik oder den Versuchen, den Arbeitsmarkt zumindest mit jenen bescheidenen Mitteln zu verbessern, die eine Stadt hat.

Doch die Stimmung in der Stadt paßt nicht zu diesen Erfolgen. Drei Wahlumfragen, die unterschiedliche Institute vorgelegt haben, rechnen mit einer rot-grünen Niederlage. Demnach erreichen beide Parteien gemeinsam zwischen 39 und 46 Prozent. Die Mehrheit von SPD und Bündnisgrünen, die schon in einer Nachwahl 1994 nur dank der Hilfe zweier Ökogruppen in einer „Regenbogenkoalition“ gehalten wurde, wäre dahin.

Fragt man nach den Ursachen dieses Niedergangs, sieht man, daß diese Krise der Koalition vor allem eine Krise der SPD ist. Denn ihre Stimmenverluste seit 1990 dürften enorm werden: Von 42 Prozent vor sechs Jahren sacken die Sozialdemokraten laut Umfragen auf Werte zwischen 29 und 36 Prozent. Einen solchen Stimmenschwund mußten die Sozialdemokraten in ihrer Münchner Geschichte erst einmal hinnehmen: 1978, als es der CSU gelang, die 50-Prozent- Marke zu überspringen. Doch in diesen schwarzen siebziger Jahren war die Münchner SPD schlimmer zerstritten als grüne Fundis und Realos in ihren härtesten Zeiten.

Von diesem Mißerfolgs-Faktor ist allerdings heute keine Spur zu sehen, und trotzdem feiert die CSU einen Aufschwung Süd. Der Schlüssel für diesen Erfolg ist in den extrem polarisierenden Kampagnen der Konservativen zu suchen. Geschickt gelingt es der Gauweiler-Truppe immer wieder, Ängste und Ärger konservativer Wähler zu bündeln – wie in der verkehrspolitischen Debatte, in der das rot-grüne Bündnis plötzlich die Alleinverantwortung für „den Stau“ zugeschoben bekommt (taz vom 3.2.96).

Garniert wird das von Peter Gauweiler mit Tiraden über „den versoffenen Penner im Englischen Garten, der 2.450 Mark Sozialhilfe kassiert“, was die Abendzeitung mit den Hetzreden Hitlers in München verglich. Doch die Gauweiler-CSU, in der gemäßigte Konservative seit Jahren nichts mehr zu melden haben, peilt genau dieses Image an – nach dem Motto: Besser am rechten Rand Wähler mobilisieren als in der Mitte mit der SPD konkurrieren.

Die Folgen solcher Kampagnen lassen sich bei den anderen Rechtsparteien studieren. Die Republikaner sind in München von politischer Schwindsucht erfaßt, was zum Teil am gesamtdeutschen Trend liegt, zum Teil auch daran, daß es ihnen nicht gelungen ist, eine „rechte“ Alternative zur hiesigen CSU zu formen. Die „Autofahrer-und Steuerzahlerpartei“ hat dies dagegen geschafft. „Schluß mit der Öko-Lüge“ fordert sie und hat die CSU zumindest in der Radikalität des Grünen- Hasses überholt. Zur Belohnung sitzt seit 1994 ein „Autofahrer“ im Stadtrat.

Sein Wahlresultat kann, wie das Ergebnis der vielen anderen kleinen Gruppen, am Sonntag die Wahl entscheiden. Denn sowohl das rot-grüne Lager als auch die CSU haben – zumindest laut Prognosen – keine Chance auf eine absolute Mehrheit. Denkbar, daß die regierende Koalition sich nur mit den Stimmen kleiner Ökogruppen oder der schwul-lesbischen „Rosa Liste“ erhalten läßt, die bei der letzten Wahl ein Mandat nur um 0,05 Prozent verpaßt hat und jetzt gute Chancen hat.

Möglich wäre, neben einer Großen Koalition, allerdings auch ein anderer Wahlausgang: Die CSU bricht die rot-grüne Mehrheit mit ein paar Mehrheitsbeschaffern. Das wären vielleicht der Rechtsaußen Manfred Brunner („Bund freier Bürger“) oder der erwähnte „Autofahrer“. Die Regenbogenkoalition wäre dann ersetzt durch eine Koalition des Gaspedals.