Die neue und alte Hamburger Frauenbewegung zwischen „Backlash“, „planet pussy“ und den langbewährten Kuschelnischen Von Ulrike Winkelmann

Ein „Überraschungsei mit einer Extraportion Feminismus“ sei das Hamburger Frauen-Fanzine planet pussy, ist Mitherausgeberin Silke Burmester überzeugt. Dennoch wollen der Frauenbuchladen und der Buchladen am Schulterblatt die planet pussy nicht verkaufen; „vermutlich“, meint Silke Burmester, „weil es nach deren Verständnis frauenfeindlich ist“. Immerhin geht es in dem Heft nicht nur um gloriose Brüste, sondern auch um die Vermessung von Schwanzlängen.

Mit „Charme“ will sich Burmester von „Dogmatismus und Verstaubtheit“ der etablierten Polit-Szene abgrenzen, „anders kommt man an die Leute nicht heran.“ Mit linker Theorie muß sie sich nicht mehr übermäßig aufhalten. „In gewisser Weise habe ich mich mit dem kapitalistischen System abgefunden“. Kapital-, Kommerz- oder Konsumkritik gehört ihrer Meinung nach nicht notwendigerweise ins feministische Alltags-Programm.

Sexy Feminismus? Marktkonformer Feminismus? Zumindest aber: großmäuliger Feminismus. Den Frauen, die allein ihr unbeschadetes Selbstbewußtsein für feministisch halten, ist schon an anderer Stelle Narzismus vorgeworfen worden. Ist natürlich fraglich, ob weibliche Selbstgefälligkeit nicht genauso dringend benötigt wird wie weiblicher Altruismus, nur über das Politikverständnis wird frau sich dann wieder streiten müssen.

„Mit dieser Girlie-Mentalität kann man jedenfalls die Unterdrückungsverhältnisse nicht wegwischen“, winkt Christiane Tursi, Frau im Äther bei Radio St. Paula, ab. Ihr zumindest „haben diese Ansätze neueren Datums nichts zu bieten“. Sich vor allem den Spaß bei einer Sache abzuholen und am liebsten auf diesem Wege eine klasse Karriere zu machen, hält sie für „kurzsichtig“.

Rose Killinger, Bildungsreferentin im Frauenbildungszentrum „Denk(t)räume“ und ewiglange Mitarbeiterin bei der Hamburger Frauen Zeitung, mag sich den Vorwurf der Verstaubtheit nicht anziehen: „Die Auseinandersetzung in der etablierten Frauenszene mit den neuen Medien und Informationstechnologien läuft.“ Auch der Vorwurf, Feministinnen zögen sich in eine Nische zurück, um sich nicht mit den bösen Männern beschäftigen zu müssen, hängt ihr schon zu den Ohren raus. „Der Freiraum, den Frauen sich erkämpft haben, dient ihnen nicht zum Rückzug, sondern als Basis, um in andere Bereiche der Gesellschaft einzudringen.“

Fragt sich, warum überhaupt eine glaubt, sich gegen den Vorwurf der Ghettoisierung wehren zu müssen. Schließlich ist es in Frauenprojekten tatsächlich gemütlicher. Was nicht heißen soll, daß von den Kuschelnischen aus keine feministische Programmatik verkündet werden darf. Die Frauen, die darauf beharren, daß Frauenräume, Frauenseminare und Nur-Frauen-

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m politischen Programm, das sie – trotz aller Ignoranz – dahinter wittern. Sie haben recht: Da sind Frauen, die unauthorisiert und auch im Namen aller Anti-Feministinnen Forderungen stellen.

Spätestens dann gibt es natürlich ein Problem mit dem behaupteten Vertretungsanspruch. Findet auch Ulrike Bendrat, Aktivistin im FrauenLesbenRat und Öffentlichkeitsreferentin des AStA der Universität. Aber: „Uns geht es gar nicht mehr darum, die Interessen aller Frauen zu vertreten, sondern darum, überhaupt noch Frauen zu ereichen“, meint sie und löst die Gleichung „Herrschaft-durch-Repräsentation“ echt habermasianisch zur Kommunikation hin auf.

Die Frauenhochschulwoche Anfang Mai zum Beispiel ist ihr ein Mittel, die Frauen an der Uni, berüchtigt für Egoismus, Desinteresse und mangelnde Solidarität, anzusprechen. Dann soll in möglichst vielen Lehrveranstaltungen „der weibliche Blick zum Tragen kommen“, so Bendrat.

Lange genug hat es gedauert, bis einige Frauen auf die Idee kamen, daß es zwar ansozialisierte, nichtsdestotrotz vorhandene geschlechtsspezifische Sichtweisen auf die Welt gibt. Ob die Beschäftigung mit dem weiblichen Blick den theoretischen Überbau des Feminismus aufstockt, ist eine, ob sie die Frauenbewegung weiterbringt, eine andere Frage.

Bergit Falter, die selbst gelernte KFZ-Mechanikerin ist und nun bei „Zahnrad e.V.“ Mädchen an sogenannte Männerberufe heranführt, zweifelt: „Wenn ich diesen ganzen akademischen Kram höre, denke ich immer, was soll das, was hat das mit den Frauen zu tun.“ Für sie steht seit 25 Jahren die Projektarbeit im Vordergrund: „Ich beschäftige mich nicht mehr damit, mich abzugrenzen und Kategorien für Feminismus zu finden; ich bin auch nicht 24 Stunden am Tag Feministin“.

Nicht, daß das Argument, die Praxis sei wichtiger als die Theorie, nicht bereits sattsam bekannt wäre – es führt jedoch dazu, daß es in den Frauen-Projekten ein anderes Verständnis über Täterinnenschaft gibt als im sogenannten akademischen Diskurs. Frauen, die feministische, meist unterbezahlte Straßen-, Sozial- oder Mädchenarbeit machen, erleben Frauen als Opfer von Gewalt und Unterdrückung; die sich an der Universität herumtreibende Weiblichkeit dagegen muß zuallererst feststellen, daß sie selbst jedenfalls nicht nur benachteiligt ist.

„Natürlich ist man – bin ich – nicht ausschließlich Frau“, meint auch Petra Schilling, die für „feministische Positionen“ im Landesvorstand der Hamburger PDS sitzt, „sondern auch weiß und mittelständisch und damit Täterin.“ Deshalb hält sie sich an die aus den USA importierte Idee von der „triple oppression“: der dreifachen Unterdrückung entlang von Hautfarbe bzw. ethnischer Herkunft, Klasse und Geschlecht.

Haken an dieser Theorie ist ihrer Meinung nach allerdings, daß „die Zusammenhänge zwischen den drei Komponenten immer nur als nicht-hierarchische angedeutet, aber nirgends erklärt werden. Das macht es schwer, daraus eine politische Praxis abzuleiten.“ Innerhalb ihrer Partei „wird es einer nicht leicht gemacht, alle Widersprüche zusammenzudenken“. Feminismus gelte dort immer noch als bürgerlich, die These vom Nebenwiderspruch lege viele Frauen lahm. „Es ist schwierig, links und Feministin zu sein“.

Obendrauf gibt's ja auch noch den vielbeschworenen „Backlash“. An ihn glaubt zum Beispiel Gunda Ennen, Mitarbeiterin im Ersten Autonomen Hamburger Frauenhauses. Sie bestätigt die „marxistische Analyse, daß es eine herrschende Klasse gibt, die ein Interesse daran hat, alle anderen zu unterdrücken.“ Es sei offensichtlich „von oben gewollt“, daß allen Frauenprojekten derzeit die Mittel gekürzt, ihre Konzepte beschnitten werden und sie sich Leistungskontrollen aussetzen müssen. Ziel des Staates sei, die Emanzipation von Frauen zu verhindern. „Das System basiert auf Sexismus, deshalb muß es eigenständige Rechte von Frauen beschneiden.“

Klar gebe es einen Rückschritt, meint auch Hilke Bleeken vom Frauenbuchladen in der Bismarckstraße. „Aber es geht auch vorwärts. Es läßt sich heute als Lesbe besser offen leben als vor zwanzig Jahren.“

Zurückschlagende Männer und triple oppression hin, Girlie-Kult und die unerträgliche Leichtigkeit des feministischen Seins her: Wer eigentlich darf und will den Feminismus im hier und jetzt bestimmen? Und: Ist Feminismus mehr als eine Reaktion auf's real existierende Patriarchat? Mehr als nur Parteilichkeit für Frauen? Wer versucht, Feminismus zu beschreiben, gerät schnell in den Ruch, sich eines der ältesten Instrumente der Männerherrschaft bemächtigen zu wollen: der Definitionsmacht.

Wenn Frauen auftauchen, die sich das feministische Etikett vermeintlich zu unrecht umhängen – siehe planet pussy –, brechen Konflikte aus, die ähnlich zeitraubend, aber mindestens so spannend sind wie das beliebte Gesellschaftsspiel selbsternannter Linker, sich gegenseitig das Linkssein abzusprechen. Aber wo soll das widerständige Selbstverständnis auch sonst herkommen?

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Veranstaltungen aller Art widerlich und männerfeindlich sind, stoßen sich ja zumeist nicht an deren schierer Existenz, sondern an dem politischen Programm, das sie – trotz aller Ignoranz – dahinter wittern. Sie haben recht: Da sind Frauen, die unautorisiert und auch im Namen aller Anti-Feministinnen Forderungen stellen.

Spätestens dann gibt es natürlich ein Problem mit dem behaupteten Vertretungsanspruch. Findet auch Ulrike Bendrat, Aktivistin im FrauenLesbenRat und Öffentlichkeitsreferentin des AStA der Universität. Aber: „Uns geht es gar nicht mehr darum, die Interessen aller Frauen zu vertreten, sondern darum, überhaupt noch Frauen zu erreichen“, meint sie und löst die Gleichung „Herrschaft-durch-Repräsentation“ echt habermasianisch zur Kommunikation hin auf.

Die Frauenhochschulwoche Anfang Mai zum Beispiel ist ihr ein Mittel, die Frauen an der Uni, berüchtigt für Egoismus, Desinteresse und mangelnde Solidarität, anzusprechen. Dann soll in möglichst vielen Lehrveranstaltungen „der weibliche Blick zum Tragen kommen“, so Bendrat.

Lange genug hat es gedauert, bis einige Frauen auf die Idee kamen, daß es zwar ansozialisierte, nichtsdestotrotz vorhandene geschlechtsspezifische Sichtweisen auf die Welt gibt. Ob die Beschäftigung mit dem weiblichen Blick den theoretischen Überbau des Feminismus aufstockt, ist eine, ob sie die Frauenbewegung weiterbringt, eine andere Frage.

Bergit Falter, die selbst gelernte KFZ-Mechanikerin ist und nun bei „Zahnrad e.V.“ Mädchen an sogenannte Männerberufe heranführt, zweifelt: „Wenn ich diesen ganzen akademischen Kram höre, denke ich immer, was soll das, was hat das mit den Frauen zu tun.“ Für sie steht seit 25 Jahren die Projektarbeit im Vordergrund: „Ich beschäftige mich nicht mehr damit, mich abzugrenzen und Kategorien für Feminismus zu finden; ich bin auch nicht 24 Stunden am Tag Feministin“.

Nicht, daß das Argument, die Praxis sei wichtiger als die Theorie, nicht bereits sattsam bekannt wäre – es führt jedoch dazu, daß es in den Frauen-Projekten ein anderes Verständnis über Täterinnenschaft gibt als im sogenannten akademischen Diskurs. Frauen, die feministische, meist unterbezahlte Straßen-, Sozial- oder Mädchenarbeit machen, erleben Frauen als Opfer von Gewalt und Unterdrückung; die sich an der Universität herumtreibende Weiblichkeit dagegen muß zuallererst feststellen, daß sie selbst jedenfalls nicht nur benachteiligt ist.

„Natürlich ist man – bin ich – nicht ausschließlich Frau“, meint auch Petra Schilling, die für „feministische Positionen“ im Landesvorstand der Hamburger PDS sitzt, „sondern auch weiß und mittelständisch und damit Täterin.“ Deshalb hält sie sich an die aus den USA importierte Idee von der „triple oppression“: der dreifachen Unterdrückung entlang von Hautfarbe bzw. ethnischer Herkunft, Klasse und Geschlecht.

Haken an dieser Theorie ist ihrer Meinung nach allerdings, daß „die Zusammenhänge zwischen den drei Komponenten immer nur als nicht-hierarchische angedeutet, aber nirgends erklärt werden. Das macht es schwer, daraus eine politische Praxis abzuleiten.“ Innerhalb ihrer Partei „wird es einer nicht leicht gemacht, alle Widersprüche zusammenzudenken“. Feminismus gelte dort immer noch als bürgerlich, die These vom Nebenwiderspruch lege viele Frauen lahm. „Es ist schwierig, links und Feministin zu sein“.

Obendrauf gibt's ja auch noch den vielbeschworenen „Backlash“. An ihn glaubt zum Beispiel Gunda Ennen, Mitarbeiterin im Ersten Autonomen Hamburger Frauenhaus. Sie bestätigt die „marxistische Analyse, daß es eine herrschende Klasse gibt, die ein Interesse daran hat, alle anderen zu unterdrücken.“ Es sei offensichtlich „von oben gewollt“, daß allen Frauenprojekten derzeit die Mittel gekürzt, ihre Konzepte beschnitten werden und sie sich Leistungskontrollen aussetzen müssen. Ziel des Staates sei, die Emanzipation von Frauen zu verhindern. „Das System basiert auf Sexismus, deshalb muß es eigenständige Rechte von Frauen beschneiden.“

Klar gebe es einen Rückschritt, meint auch Hilke Bleeken vom Frauenbuchladen in der Bismarckstraße. „Aber es geht auch vorwärts. Es läßt sich heute als Lesbe besser offen leben als vor zwanzig Jahren.“

Zurückschlagende Männer und triple oppression hin, Girlie-Kult und die unerträgliche Leichtigkeit des feministischen Seins her: Wer eigentlich darf und will den Feminismus im hier und jetzt bestimmen? Und: Ist Feminismus mehr als eine Reaktion aufs real existierende Patriarchat? Mehr als nur Parteilichkeit für Frauen? Wer versucht, Feminismus zu beschreiben, gerät schnell in den Ruch, sich eines der ältesten Instrumente der Männerherrschaft bemächtigen zu wollen: der Definitionsmacht.

Wenn Frauen auftauchen, die sich das feministische Etikett vermeintlich zu unrecht umhängen – siehe planet pussy –, brechen Konflikte aus, die ähnlich zeitraubend, aber mindestens so spannend sind wie das beliebte Gesellschaftsspiel selbsternannter Linker, sich gegenseitig das Linkssein abzusprechen. Aber wo soll das widerständige Selbstverständnis auch sonst herkommen?