Sie ist Feministin, Journalistin, Verlegerin. Sie hat Bestseller geschrieben und die "Emma" gegründet. Mit allem hat sie Politik gemacht. Was wäre die Frauenbewegung ohne Alice Schwarzer? Bascha Mika über eine Frau, die viele kennen - aber

Sie war nicht zur Heldin geboren. Sie hat sich zur Heldin gemacht. Als Frauen auszogen, die Domänen der Männer zu erobern, kam ihre Kriegernatur gerade recht. Sie fing an zu kämpfen, wo andere noch kuschten. Ging den Männern an die Macht und ans Gemächte: schlagkräftig, unverfroren, gnadenlos. Schuf sich fanatische Feinde und ebensolche Freunde. Sie eiferte, sie stritt und strahlte dabei.

Voila, eine Heldin!

„Jüngst nun bekam ich eine – im Vergleich zum Nobelpreis – sehr kleine Ehre angetragen“, vermeldet die Heldin heute, „nämlich das Bundesverdienstkreuz.“ Da spricht Alice Schwarzer, Deutschlands bekannteste Feministin. Anfang des Jahres hat sie ein patriarchales Stück Blech bekommen – und es kreuzkokett angenommen. Denn, so belehrt die Emma-Herausgeberin: Ein Orden für Alice ist ein Orden für alle – Frauen, versteht sich.

Da glaubt eine, Volkstribunin zu sein. Oder mindestens Sprachrohr. Etwa weil sie ein borniertes Bewegungsblatt macht? Sich nicht entblödet, Frauen- und Tierrechte in einem Atemzug zu fordern und im nächsten das Recht auf Kriegsdienst? Oder weil sie im Fernsehen so schön das feministische Funkenmariechen gibt? „Alice“, sagt Halina Bendkowski, eine frühe Mitstreiterin, „hat die Gnade der Wahrnehmungsunfähigkeit.“

Doch keine Heldin?

Für einen Vorzugsplatz in der Gesellschaft fehlte Alice das Billett. Sie stammt aus einer „deklassierten Familie“, war ein „begabtes, faules, eher geschwätziges Kind“ und brachte eine „chaotische Schulzeit“ hinter sich. Ihre Mutter war Verkäuferin. 1942 hat sie das Mädchen unehelich in die Welt gesetzt und verlassen – abgeschoben zu den Großeltern.

Der Vater ward nie gesehen. Doch es gab ja den Opa. Der verwöhnte das Mädchen, der Drill auf ein weibliches Normenprogramm entfiel. „Mein Großvater war ein leuchtendes Beispiel positiver Unmännlickeit“, schwärmt Alice Schwarzer. Der Opa als wahre Mutter. Ein kleiner Tabakhändler aus Elberfeld, dem seine enttäuschte, mißmutige Frau das Leben vergällte. Durch die zerrüttete Ehe lernte das Kind sehr früh, „wie Frauen Männer quälen können“.

So hat das Mädchen Alice in seinem Kindheitsmuster weder den strafenden Vater noch autoritären Großvater erlebt. Und das soll eine „Männerhasserin“ werden? Verraten wurde sie von der Mutter, gelitten hat sie unter der tyrannischen Großmutter.

„Das Gift der Frauenverachtung“, schreibt die erwachsene Alice Schwarzer, „ist tief unter unsere Haut gedrungen.“

Handelsschule, Lehre, Bürojobs. Volle Breitseite Männermuff und untergeordnete Frauenarbeit. Meuterei mit knapp zwanzig: von Wuppertal in die Welt. Kein Geld, aber ab nach Paris. Putzen, Sprachen lernen, mit einem Mann leben. Kein Abitur, aber studieren; durch die Prüfung der Journalistenschule fallen und erst recht Journalistin werden wollen. Motto: „Je unsicherer, desto arroganter.“ Mit ungeheurem Trotz und dem Drang nach oben. Nie mehr zu kurz kommen.

Hat sie in dieser Zeit gelernt, so aufzutreten, daß die Emma-Autorin Claudia Pinl später sagen wird: „Bei Alice hab ich mich gefühlt wie der Frosch vor der Dampfwalze.“

Frauenbewegung. Welche Attacke öffnet das Einfallstor in die patriarchale Festung? 1968: „Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen!“ skandieren die Frauen vom SDS, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Und weil das Beil noch nicht scharf ist, knallt SDS-Frau Rüger ihrem Genossen Krahl eine Matschtomate an den dialektisch-dozierenden Dez. Die Folge: Weiberräte, Aktionen, Demonstrationen. Studentinnen und APO-Frauen sind munter.

Auftritt: Alice Schwarzer. Wie ein Wirbel wuscht sie Anfang der 70er Jahre in die erwachende Frauenszene. Mit überbordender Körperlichkeit und dem hemmungslosen Charme tyrannischer Naturelle. Nicht groß, doch in allem üppig: der Figur, den ausladenden Gesten, dem unglaublich breiten Lachen. Die Augen sehr wach, klug, kühl. „Kess war sie, originell und anmaßend“, erinnert sich Halina Bendkowski, „sie konnte uns alle unheimlich einwickeln.“ Eine sinnliche Frau, die mit Wonne ißt, trinkt und ihr Gegenüber mit Leichtigkeit anfaßt. Sie wischt Distanzen weg wie andere Fussel. So eine macht sich schnell Anhängerinnen.

Alice Schwarzer kommt gerade aus Paris, dort hat sie den französischen Schwestern einiges abgeguckt. Nach deren Vorbild initiiert sie in der Bundesrepublik eine Kampagne gegen das Abtreibungsverbot. Im Juni 1971 bekennen knapp vierhundert Frauen in der Illustrierten Stern: „Ich habe abgetrieben.“ Skandal im deutschen Wohnzimmer. „Wir haben es satt!“ schallt es jetzt auch aus den Küchen, den Büros und Fabriken. Die Frauen bewegen sich, massenhaft.

Mit einem Schlag ist Alice Schwarzer bekannt. Sie redet, schreibt, ist Agitatorin und Amazone. Tourt durch Uni-Säle, Volkshochschulen, Bürgerhäuser. Spricht leicht gehetzt und eindringlich. „Frauenkampf ist nicht in erster Linie Kampf gegen Männer, er ist Kampf für Frauen.“

Schwarzer kommt aus einfachen Verhältnissen, sie trifft den einfachen Ton. Sie popularisiert die Bewegung, berührt die unterschiedlichsten Frauen an ihren wundesten Punkten. „Mir sprang damals ein Artikel ins Auge“, erzählt eine Schneiderin, „mit den Fakten und Daten über uns Frauen, wir, die am Rande der Gesellschaft stehen und oft diskriminiert werden. Und das Thema betraf mich und traf mich. Alice Schwarzer war die Schreiberin. Bald wußte ich, was ,Emanze‘ für eine Bedeutung hatte. Alice Schwarzer war so eine.“

Diese Emanze wird von Stund an am eigenen Mythos stricken. Es so darstellen, als hätte ihre 218-Kampagne die zweite deutsche Frauenbewegung ausgelöst. Souverän wird Schwarzer die Pionierarbeit der SDS- und APO-Frauen herunterspielen.

Die junge Alice hat für starke Frauen geschwärmt, für Simone de Beauvoir und Marion Gräfin Dönhoff. Jetzt will sie selbst berühmt werden. „Es hat einiges zusammenkommen müssen“, räsoniert sie, „damit gerade ich in diese Rolle der ,Führungsfigur‘ gedrängt werden konnte, gegen die ich mich, weiß Göttin, immer wieder energisch verwehrt habe.“

Heldin wider Willen?

Nur ein koketter Scherz. Denn gleich darauf klingt es selbstverliebt: „Genau das hat Frauen millionenfach eine Identifikation ermöglicht: Da war eine, die redete wie sie, fühlte wie sie.“ Alice nämlich. Die Frauenbewegung braucht so eine, sie braucht eine Ikone. Schwarzer bietet sich an. Sie hat eine Nase für Tabus – und bricht sie. Widerspruch stachelt sie an, dann könnte sie „schreien vor Schmerz“, das „Mikrophon fressen vor Wut“. Sie ist jähzornig, das gibt Kraft. Auch körperlich. Wird sie mal richtig sauer, kann sie ganze Tische anheben, um sie dann krachend runtersausen zu lassen.

Besonders „Mäuschenfrauen“, die sich schüchtern und unendlich mühsam aus den patriarchalen Abhängigkeiten quälen, sind von ihr beeindruckt. Sie waren gewohnt, auf Männer zu hören. Jetzt hören sie auf Alice. Die geht stellvertretend voran, hinter ihr läßt sich's gut verstecken. Schwarzer glaubt zwar, den „dritten Weg“ gefunden zu haben: weder „weibchenhaft“ noch mit „männlicher Räson“ aufzutreten. Doch ihre Umgebung sieht das entschieden anders. „Sie sagt nein“, bemerkt eine Freundin, die nicht genannt sein will, „aber sie sagte es damals schon wie ein Mann.“

Vielleicht ist es das, was Männer bis aufs Blut reizt. Alice Schwarzer fährt ihnen übers Maul, als wäre sie eine von ihnen. Kein Respekt, schon gar nicht vor dem Allerheiligsten: Männer sind unfähig, Frauen sexuell zu befriedigen! tönt Schwarzer in ihrem Buch „Der kleine Unterschied“. Sofort träumen die Männer von Inquisition. „Sie guckt mit stechendem Blick durch die Brille wie eine Hexe im Märchen“, geifert Bild stellvertretend für alle Wesen mit Penis.

Schwarzer wird zur Haßemanze: so hübsch häßlich und außerdem zänkisch. „Männerhasserin!“ – „Schwanz-ab-Schwarzer!“ – „Sex einer Nachteule“, schmähen die Gazetten. Die Feministin kontert: „Wie gut, daß ich nicht schiele, sonst könnte ich einpacken!“ Sie spottet: „Die Nation ist sich offenbar einig, daß ich sehr häßlich bin.“ Doch trotz Witz und Selbstironie – die massive Kränkung bleibt.

Die Patriarchen brauchen die Hexe, so wie die Bewegungsfrauen die Heldin. Schwarzer – Projektionsfläche ohne Ende. Doch letztlich häkelt die Männerpresse am Mythos mit. Je mehr der Star angegriffen wird, desto dichter schließen sich um ihn die Fan- Reihen. Da hält eine Frau stellvertretend aus, was andere nicht ertragen würden.

Ganz die Heldin.

Die Führungsfigur wird aufgebaut und wirkt stark, die anderen Frauen erscheinen um so schwächer. Doch schwache Frauen sind Alice Schwarzer ein Greuel. Da gehört ihre Sympathie schon eher dem „leidenden Mann“, wie im Fall ihres Großvaters. Oder im Fall des Prominentenpaars Kelly/Bastian. Gert Bastian hat Petra Kelly ermordet, trotzdem gesteht Schwarzer: „Ich schreibe über das mitschuldige Opfer und den armen Täter.“ Stets von neuem arbeitet sie sich am „Schwäche-Stärke- Konflikt“ ab. Gegen die „ohnmächtig leidende, weibliche Frau“, die daherkommt wie ihr eigenes Klischee, kann sie wüten ohne Ende. Fängt da die Verachtung der Schwestern an?

Das Jahr 1975. Der erste Frauenkalender erscheint, herausgegeben von fünf Frauen. Unter ihnen Alice Schwarzer und Sabine Zurmühl, die spätere Mitgründerin der feministischen Zeitschrift Courage. „Einen eventuellen Gewinn wollen wir in ein Frauenprojekt stecken“, schreiben die Macherinnen. Doch es gibt Streit. Die Gruppe fordert das Projektgeld, Alice Schwarzer weigert sich. Zurmühl und eine andere gehen. Einige Frauenkalender später sind von der Gründungscrew nur noch zwei Frauen übrig. Eine davon: Alice Schwarzer. Sie verdient. Bis heute. An der gemeinsamen Idee. Ein Muster, das sich wiederholen wird. Sabine Zurmühl: „Wenn die Frauen noch alle Tassen im Schrank haben, retten sie sich vor Alice.“

Januar 1977. Die erste Emma. Bei allen frauenbewegten Journalistinnen hat Schwarzer Geld gesammelt und Autorinnen geworben. Gegründet wird die Monatszeitschrift in Köln von einer größeren Gruppe, doch Herausgeberin und Alleingesellschafterin der GmbH: Alice Schwarzer.

Heft Nr. 1 ist ein unglaublicher Erfolg. 300.000 Exemplare werden verkauft. Der Verlag ist im Nu schuldenfrei. Vor der ersten Ausgabe hatten die Gründungsfrauen beschlossen, daß der Überschuß von Emma in Frauenprojekte fließen soll. Monatelang hält Schwarzer die Kolleginnen hin. Im Herbst '77 kommt dann von ihr ein klares Nein. Das Geld bleibt beim Verlag und der Herausgeberin. Die Redaktion verläßt geschlossen das Blatt. Christiane Ensslin, Emma- Redakteurin der ersten Stunde: „Da haben wir als erste Generation versagt. Wir hätten Alice hinstellen müssen, wo sie hingehört: In die Reihe.“

Alice Schwarzer will nie mehr zu kurz kommen. Entsprechend hemmungslos sind ihre geschäftlichen Interessen. Einige Jahre später, 1984, gründet sie mit Sponsorengeldern ein feministisches Archiv. Die Einrichtung soll „öffentlich und gemeinnützig“ sein, wird deshalb mit Steuergeldern in Millionenhöhe unterstützt. Was passiert? Häßliches. Das Archiv, in einem mittelalterlichen Kölner Turm untergebracht, soll der Frauenforschung dienen. Doch er dient auch den geschäftlichen Interessen von Alice Schwarzer und Emma. Der Skandal wird ruchbar, doch der Kölner Politklüngel hält seine Hand über die prominente Stadtbewohnerin. Allen Frauen sollte das Archiv nützen, nicht Alice Scharzer. Aber ist das nicht dasselbe, wenn sie die Frau aller Frauen ist?

Die zweite Emma-Generation zieht in die Redaktion. Schwarzer ist uneingeschränkt Boß. Die Arbeitsbedingungen sind unerträglich. In knapp drei Jahren werden zig Frauen verschlissen. Sekretärin Yvette Riemenschneider: „Ich hab' echt Angst vor der Alice gehabt, weil die so geschickt war. Ich wurde total zerredet. Ich wurde so angeschrien, daß mir einfach die Spucke wegblieb.“ Schwarzer lapidar: „Ich entbehre nicht gewisser autoritärer Züge.“

Emma ist für viele Journalistinnen die Chance, ein feministisches Blatt zu machen. Und mit der Gallionsfigur Schwarzer zu arbeiten. Sie lassen sich mit Haut und Haaren in das Projekt reinfallen – und machen sich schwach. Bis sie schreiend davonlaufen. Brief von Alice Schwarzer an eine Emma- Frau: „Du bist in diesem Kapitel mal wieder eine ganz besonders dunkle und miese Seite ... Deine miese kleine formelle Kündigung aber zeigt mir: wieder mal geirrt, leider investiert in eine, die es weiß Gott nicht lohnt.“

Die Vorwürfe werden publik; 32 Frauen aus dem Emma-Umfeld kündigen Schwarzer öffentlich die Gefolgschaft. Und die Heldin der Bewegung? Verteufelt die Hatz gegen den Feminismus und beklagt den „faschistoiden Umgang mit Menschen“.

Die Heldin als Opfer.

Was ist hier los? Da kämpft eine Frau als Feministin für die Würde und Rechte von Frauen – und geht hin und verrät sie. Da versucht eine Frau, andere Frauen zu brechen, psychisch zuzurichten, provoziert die Malträtierten, bis diese zurückschlagen – und stellt sich dann hin und fühlt sich verraten.

„Was wäre eine Freiheitsbewegung ohne Haß?“ hat Alice Schwarzer einmal gefragt. Und wer ist hier Gegenstand des Hasses?

Männer jedenfalls nicht. Nur Frauen bekämpft sie praktisch, Männer rein theoretisch. 1984 wird Alice Schwarzer vom WDR gefragt, mit wem sie am liebsten streiten würde. Antwort: Rudolf Augstein. Da sitzen sie nun vor der Kamera – und Augstein läßt Schwarzer verhungern. Er schweigt. Zehn Sekunden, zwanzig. Schwarzer strampelt sich ab mit all ihrer Eloquenz, er läßt sie kalt auflaufen. Unerträglich patriarchales Dominanzverhalten. Wie reagiert die Feministin? Schneidet ihm den Schlips ab, knallt ihm eine? Mitnichten. Nach der Sendung hakt sie Augstein freundschaftlichst unter und verläßt mit ihm das Funkhaus. Draußen wartet bereits ein Fotograf der Boulevardpresse. Schäkern mit prominenten Männer – das haben die Alice Schwarzer lange verwehrt. Andere Frauen dürfen sich allerdings nicht als Männerfreundin entpuppen. Da greift Schwarzer sogar in die antisemitische Kiste. Hildegard Recher ist Sekretärin bei Emma und Freundin des Publizisten Henryk Broder. Die EmmaChefin und Broder zerstreitet sich, Recher fliegt raus. „Man kann doch nicht die Geliebte eines militanten Juden sein“, schreibt Schwarzer 1982 an Recher, „und gleichzeitig bei einem Projekt mitmachen, das in seinen Augen eine ,zweite Endlösung‘ vorantreibt.“ Eine Feministin definiert eine Frau über ihren Freund. Wie der schlimmste Macho. „Das Gift der Frauenverachtung ist tief unter unsere Haut gedrungen“, sagt Alice Schwarzer.

Sie lebt mit Frauen, sie liebt längst Frauen. Doch ihr Kampf gegen das eigene Geschlecht geht weiter. Kaum eine prominente, frauenbewegte Publizistin, die nicht irgendwann für Emma die Feder gespitzt hat. Lange vorbei. In die Manuskripte wird der richtige fundamental-feministische Schwarzer-Ton redigiert, es gibt Streit um Honorare, in der Redaktion entwickelt sich zunehmend eine Sektenatmosphäre. Der Feind sitzt draußen, drinnen der feministische Guru. Die Auflange sinkt, seit Anfang 1993 erscheint Emma nur noch alle zwei Monate und pendelt sich mit einer verkauften Auflage um die 50.000 ein.

Die Chefin ist auf den den „kleinen Unterschied“ fixiert. Bei der „PorNo“-Kampagne und der Debatte über sexuellen Mißbrauch ist Schwarzer da. Sie zettelt den ein oder anderen Skandal an. Ficht gegen sexistische Fotos im Stern und brutalisierende Bilder des Fotografen Newton. Doch andere Debatten, wie die Gender-Diskussion, passen nicht ins Fundi-Blatt. Über all die Jahre werden feministische Positionen in Emma kaum weiterentwickelt. Schwarzer hilft, die Bewegung zu entpolitisieren – und zu polarisieren. Hier alle Scheinfeministinnen, da die Radikalfeministinnen. Die sitzen bei Emma, der Bravo des Feminismus. Bendkowski: „Wenn Alice Schwarzer heute noch Vorbild ist, dann nur ein peinliches.“

Da wird eine Frau auf den Wogen des Feminismus nach oben gespült. Doch spätestens seit Mitte der 80er Jahre ist die Welle unter ihr weggeschwappt. Sie will es nicht wissen.

Die Heldin hockt immer noch oben – aber unter ihr ist nichts.

Wer sich kritisch über Schwarzer oder ihr Blatt äußert, wird zur Unperson. Schnell reagiert sie mit Gegendarstellungen, Klagedrohungen und Gerichtsverfahren. Ebenso schnell mobilisiert sie ihre Schutzphalanx aus anhänglichen Frauen. Als Claudia Pinl, alias Julia Bähr, ihren „Klatschmohn“ schreibt, eine Geschichte aus der Frauenbewegung, erwähnt sie Hunderte von Schwestern. Nur eine setzt per Anwalt durch, daß Pinl zensiert wird: die „Mutter der Bewegung“, Alice Schwarzer. Unter anderem sollte Pinl nicht schreiben dürfen, daß Schwarzer eine prima Avocadocreme macht.

Noch heute äußern sich Frauen, die Alice über Jahre hinweg erlebt haben, nur vorsichtig über diese Heldin. Eine Meinung haben sie alle, einige sagen sie auch, doch kaum jemand will – wie im vorliegenden Artikel – zitiert werden. Eine merkwürdige Mischung aus Frauensolidarität, Muttermordphantasien und Ängstlichkeit.

Dabei will der einst gefürchtete Liebling der Bewegung doch nur noch öffentlich geliebt werden. Dafür tut er einiges. Talkt und tingelt durchs Fernsehen und tanzt wonneproppig, mit Tränen in den Augen, im Kölner Karnevalszug. Ganz rheinische Frohnatur. Auch in der Emma-Redaktion ist der Ton der 90er Jahre nicht mehr so ruppig. Die wenigen verbliebenen Autorinnen werden nicht gemobbt, sondern gehätschelt. Uta König, ehemalige Vizechefin bei Brigitte: „Absolut professionell. Es ist die wahre Freude.“

Da steht sie nun, die Ausstellungsfigur des Feminismus. Mit Stadtwohnung und Landhaus, teuren Fummeln und schwarzem Saab, heiteren Auftritten und prominenten Freunden.

Alice, Heldin im Schwarzerland.