■ Kommentar
: Hochbahn-Spießer

Dunkle Ecken, kalte Fliesen, nacktes Neon und neuerdings an vielen U-Bahnhöfen noch nicht einmal eine Bahnhofsbesatzung – Hamburgs Beförderungsuntergrund hat ein klar paranoia-erzeugendes Ambiente. Architekten und Bürger fordern hier schon lange konstruktive Maßnahmen. Doch wenn dann Künstler eigeninitiativ damit beginnen, den Bahnsteig zu einem Ort der Kommunikation zu machen, schickt die HHA ihre Kettenhunde los (siehe S. 31).

Solange die Kunst nur mucksmäuschenstill und hinter Glas der Tristesse entgegenwirkte, hielten die Hochbahner das für Eigenwerbung. Doch als der Verein, der den Kiosk am Meßberghof mit Kunst bespielt, den zeitgenössischen Kunstbegriff in seiner Gänze ausschöpfte, war Schluß mit lustig. Künstlerisches Schlafen in der Öffentlichkeit erregte die kleinkarierte HHA dermaßen, daß sie sofort alle weiteren Aktionen unterband.

Fahrgäste, die geil die Trennung von Gerd und Hillu nachlesen, aber Kunst für Verbrechen halten, hatten sich beschwert, und auch die dümmsten Fahrgäste sind der HHA eben heilig. Daß all jene, denen kreative Lebendigkeit im U-Bahn-Bunker gefällt, eher still genießen, interessiert die Hochbahner nicht. Statt diesen kostenlosen Art-Service als Erweiterung des Leistungsspektrums dankbar zu befördern, erhöht die HHA lieber die Fahrpreise. Die Spießer sitzen eben nicht nur in den Zügen.

Till Briegleb