: Stadt unter Zugzwang
■ Gericht empfiehlt außergerichtliche Einigung im „UKE-Strahlenskandal“
„Die Zeit drängt: Die Kläger sollen schließlich auch noch etwas von dem Schmerzensgeld haben.“ Den Streitparteien im „Strahlenskandal“ der gynäkologischen Radiologie der UKE-Frauenklinik empfahl der Vorsitzende Richter Detlev Timmermann gestern deshalb, sich außergerichtlich zu einigen. Den Patientinnen sollten langwierige Prozesse erspart werden.
Rund 80 ehemalige Patientinnen oder deren Angehörige fordern laut Wissenschaftsbehörde Schmerzensgeld. In 36 Fällen hatte Rechtsanwalt Wilhelm Funke Klage eingereicht, die ersten 14 wurden gestern vor der dritten Zivilkammer des Landgerichts verhandelt. Kern der Vorwürfe: Fehlende Risikoaufklärung bei Brustkrebspatientinnen und Bestrahlung mit zu hohen Dosen bei Unterleibskrebs. Dabei ging es um Schadenersatzansprüche zwischen 30.000 und 200.000 Mark.
Während PatientInnen-Anwalt Funke eine außergerichtliche Einigung „außerordentlich“ begrüßte, wollte sich die Wissenschaftsbehörde noch nicht festlegen. Man wolle die Expertenbefragung abwarten, deren Ergebnis bis Mitte April vorliegen soll, so deren Anwalt Hans Jürgen Grambow.
Für das Gericht drängt sich aber geradezu auf, daß die Stadt dafür haften muß, daß die Brustkrebspatientinnen nicht über ein erhöhtes Risiko der angewandten Methode oder über Alternativen aufgeklärt worden seien. Und weil der Chef der gynäkologischen Radiologie, Hans-Joachim Frischbier, bei Unterleibspatientinnen eine von ihm entwickelte Methode anwandte, die nach Ansicht des Gerichts von üblichen Standards abwich, müsse er nun nachweisen, daß die höheren Strahlendosen nicht zu erhöhten Komplikationen führten.
Um das zu klären, müßten aber Sachverständige hinzugezogen werden. Und da stellt sich für das Gericht das Problem, daß im Fall UKE die meisten bereits „verbraucht“ sind. Es sei schwierig, Gutachter zu finden, die noch nicht involviert sind, so Timmermann .
„Das war mehr, als ich erwarten konnte“, kommentierte Anwalt Funke die Empfehlung des Gerichts. Die „deutliche Äußerung“ des Vorsitzenden Richters, die er gestern machte, ohne das eigene Beweisverfahren eröffnet zu haben, versetze die Stadt nun in Zugzwang. Sie werde wohl zahlen müssen, so Funkes Einschätzung. paf
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