Sanssouci
: Nachschlag

■ Susanne Linkes "Hamletszenen" im Hebbel-Theater

Dreimal Hamlet, viermal Ophelia und auch Claudius, Laertes und Polonius in Mehrfachbesetzung – in ihrem jüngst im Bremer Theater uraufgeführten Tanzstück „Hamletszenen“, mit dem Susanne Linke zur Zeit im Hebbel-Theater gastiert, gibt die Choreographin den Zuschauern reichlich Kopfnüsse auf. In welcher Szene man sich gerade befindet, das ist wohl selbst für „Hamlet- Experten“ oft kaum zu enträtseln. Kurze Schlaglichter hat Linke gesetzt auf Hamlets Eifersucht, auf die scheiternde Liebe zwischen Ophelia und Hamlet, auf Wahnsinn, Verzweiflung und Mord. Doch das Konzept geht nicht so recht auf.

Sicher hat es einiges für sich, vier Ophelien auf die Bühne zu stellen. Gleich mehrere Versionen einer unglücklich Liebenden kann man so präsentieren: Ophelia als zarte Anschmiegsame, als dynamisches Energiebündel und als selbstbewußtes und ebenbürtiges Gegenüber. Ähnliches gilt für Hamlet. Susanne Linke mag einen Palimpsest im Sinn gehabt haben, einen Nachhall des Gewesenen, der durch die Vervielfachung der Figuren heraufbeschworen wird – doch statt dessen verlieren sich die großen Gefühle in Beliebigkeit. Jede einzelne der traurig entrückten, dem Wahnsinn verfallenen Ophelien am Ende könnte einen mitziehen in den Schlund des Autismus und des Vergessenwollens – aber gleich viermal? Wie hätten Sie's denn gern?

Hamlet, Polonius, Laertes: Sie sind im Männercorps nur für kurze Zeit identifizierbar – auch wenn es laut Programmheft feste Rollenzuweisungen gibt. Was soll uns die identitätslose Masse, die sich am dänischen Hof auf einer Stehparty für Besserverdienende präsentiert, bei der mit Kameras behängte Paparazzi integraler Bestandteil zu sein scheinen? Kontur gewinnt allein Susanne Linke selbst. Als geisterhafte Erscheinung mit bleichem, ausgezehrtem Gesicht gibt sie die Königin Gertrude. Ein Todesengel, der das Wissen um die Schicksale aller in sich trägt. Nicht der gemeuchelte König, sie ist das Gespenst, das den finsteren Reigen seinem Ende zutreibt. Michaela Schlagenwerth

Noch heute um 20 Uhr im Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg