Revolution abgeblasen

■ Die Macht der US-Mediengiganten wächst. Auf einem Kongreß berieten nun Vertreter der amerikanischen Alternativmedien, was dagegen zu tun ist

„Mickey Mouse hat mich fertiggemacht. Aber er wird mir nicht den Mund verbieten“, macht sich Jim Hightower Mut. Der Radiomoderator hatte bis vor kurzem noch eine eigene Show bei ABC. Täglich versorgte er USA-weit seine HörerInnen mit Sprüchen wie „Bill Clinton ist der beste republikanische Präsident, den wir je hatten“. Doch kurz nach der Übernahme des Senders durch die Disney Corporation entledigte sich ABC des kritischen Geistes.

Damit sich nicht auch andere den Mund verbieten lassen, lud das Institut für Alternativen Journalismus (IAJ) am vergangenen Wochenende zu einem Kongreß nach San Francisco. Die Teilnahmeliste liest sich wie ein Wegweiser durch die amerikanische Alternativpresse. Knapp 600 Redakteure von Stadtzeitschriften und Magazinen, freie Radio- und Fernsehmacherinnen sowie Internet-Publizisten diskutierten vier Tage lang über die Veränderungen im Medienbereich und die notwendigen Antworten darauf.

Die Fernseh- und Radiolandschaft der USA wird bald von sechs oder sieben Konzernen kontrolliert. Das kürzlich verabschiedete Telekommunikationsgesetz räumte fast alle Barrieren beiseite, die eine zu starke Medienkonzentration verhindern sollten. Unabhängige Stimmen werden es nun wohl noch schwerer haben. Besonders wenn es ihnen an Geld fehlt.

Denn wer die Musik bezahlt, bestimmt auch das Programm. Auf kritische Themen verzichten die großen Fernsehnetze lieber, um ihre Werbekunden nicht zu verprellen. „Die Medienkonglomerate sind dazu da, Geld zu machen, und nicht, die Wahrheit zu sagen“, sagte Pulitzer-Preisträger Robert Parry, der die Iran-Contra-Affäre aufgedeckt hat. Noch in den achtziger Jahren sei das Klima ein anderes gewesen, heute greife niemand mehr das Establishment an. Zwar wisse jeder Amerikaner, wie lang das Messer war, mit dem die Ehefrau von O. J. Simpson ermordet wurde, doch niemand habe mitbekommen, daß zur selben Zeit das Telekommunikationsgesetz ausgehandelt wurde.

Dieses hilft den Mediengiganten, noch mehr Radiosender unter ihre Fittiche zu bekommen und Minderheitenstimmen zum Schweigen zu bringen. „Wenn zum Beispiel CBS eine kleine, von Schwarzen betriebene Radiostation kaufen will, werden die kaum dagegenhalten können“, sagte James Ledbetter von der New Yorker Village Voice. In einem Punkt, meinte er, ähnelten sich die Mainstream- und die Alternativ- presse aber doch: Bei beiden findet man kaum AfroamerikanerInnen in Führungspositionen. Auch war zum Kongreß zwar die ganze Latte linksalternativer Blattmacher angereist, doch keine einzige von Schwarzen oder Latinos produzierte Zeitung war vertreten.

Nach Ansicht von David Weir von HitWired bietet das Internet die Möglichkeit, das Monopol der großen Medienkonzerne zu brechen. Victor Navasky von The Nation sah das kritischer und warnte, daß der Informations-Highway „Tausende von Jobs“ vernichte. Deshalb sei es wichtig, daß die Journalistengewerkschaften mit den Telekommunikationsgewerkschaften kooperierten. Journalisten arbeiten nicht mehr „im Nachrichtengeschäft, sondern im Informationssektor“, erklärte Linda Foley von der „Newspaper Guild“.

Don Hazen, Direktor von IAJ, bedauerte, daß die unabhängigen Medien nicht organisiert sind. Eines der wichtigsten Ziele des Kongresses war es daher, daß sich die TeilnehmerInnen kennenlernten. Und immerhin entstanden auf dem Kongreß einige Netzwerke, die zukünftig Finanzierungsanträge bei Stiftungen koordinieren wollen.

Uneinig waren sich die TeilnehmerInnen über die erfolgreiche Taktik gegenüber den Mediengiganten. So dachte Jim Hightower darüber nach, wie man Linke in Fernsehtalkshows schmuggeln könnte. Dagegen schlug Frank Rich, der als Kolumnist der New York Times eigentlich einem Mainstream-Medium angehört, vor, „doch lieber die großen Mediennetzwerke zu bekämpfen, als sich darüber Sorgen zu machen, wie man die richtige Person in eine Talkshow bekommt“. Aber wie?

„Von den Rechten lernen heißt siegen lernen“, könnte man eine oft wiederholte Botschaft zusammenfassen. Und wer immer das Wort „Aktion“ auch nur erwähnte, bekam dafür Beifall. Viele Vorschläge scheiterten allerdings daran, daß es kein Geld für Projekte wie eine linke Wochenzeitung gibt. Die Medienrevolution wurde daher vorerst wegen Geldmangels abgesagt. Ingo Malcher