: Schwarzer Peter jetzt auch in Bayern
Die Tonbandaffäre im Plutoniumausschuß rückt auch Bayerns Landeskriminalamt ins Zwielicht ■ Aus München Holger Kulick
Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) leistete gestern wieder einmal Amtshilfe. Nicht für den Bundesnachrichtendienst (BND), sondern für Bayerns Grüne. Denen nämlich fehlte ein Abspielgerät für die polizeiliche Abhördiskette, aus der das Fernsehmagazin „Monitor“ Donnerstag abend zitiert hat. Mangels Technik bat das Büro des bündnisgrünen Abgeordneten Manfred Fleischer das LKA um Hilfe. Die Grünröcke lieferten sofort.
Die Diskette hat es in sich: Sie gibt wieder, wie am 25. Juli 1994 spanisch-kolumbianische Waffenhändler mit Scheinaufkäufern von BND und LKA über eine gewünschte Lieferung von atomwaffenfähigem Plutonium verhandeln. Die Händler hatten eine knapp drei Gramm schwere Probe dabei. Die Aufnahme bestätigt, daß das angebotene Plutonium noch in Rußland lagerte und portionsweise in Tageabständen aus Moskau beschafft werden sollte. Es waren insgesamt vier Kilogramm. Die Dealer boten an, daß die deutschen Interessenten den Stoff dort auch selbst abholen könnten. Aber die Scheinaufkäufer von BND und LKA pochten auf zügige Lieferung. Dies erhärtet den Vorwurf, daß BND und LKA den Schmuggel selbst provoziert haben.
Zunächst trafen sich die Waffenhändler und die V-Leute an jenem 25. Juli in einem Café vor dem Münchner Hotel Excelsior. Über dieses Treffen gibt es ein Abhörprotokoll der Einsatzgruppe „Pluto“ von 19.15 Uhr bis 19.27 Uhr. Danach heißt es „Ortswechsel“ im Protokoll. Die Gruppe begab sich zur Probenübergabe aufs Hotelzimmer.
Eine Abschrift der Abhöraktion in diesem Zimmer gibt es nicht mehr. Im Herbst 1994 wurde die Abschrift auf Geheiß der Staatsanwaltschaft vernichtet, denn der Mitschnitt war illegal. Nur für das Treffen im Café gab es eine richterliche Genehmigung zum Lauschangriff. Damals sollte auch der Tonmitschnitt auf der Diskette gelöscht werden, „versehentlich“, so teilte man den Grünen im Innenministerium mit, wurde das aber auf dem Sammelband vergessen.
Nach dem Abhören der Aufnahme sind sich Bayerns Grüne allerdings sicher, weshalb das LKA über die Existenz dieser Aufnahmen in Wirklichkeit unglücklich ist. Vor allem der verdeckte LKA- Ermittler Boeden tritt auf dem Band als Lockspitzel auf und drängt, ihm größere Mengen Plutonium zu liefern: „Ich kann mit 200 Gramm nichts anfangen.“
„Minister Becksteins bisherige Aussagen entpuppen sich damit als Ablenkungsmanöver“, kritisierte Manfred Fleischer. Beckstein hatte bisher immer behauptet, daß die BND-Vertreter bei der Aktion tonangebend haben.
Zudem wirft Fleischer den Ermittlern gezielte Versäumnisse vor. Sie hätten den riskanten Lufttransport vorzeitig verhindern können. So hätte eindeutig zwei Wochen vor der eigentlichen ersten Lieferung am 10. August festgestanden, daß das Material extra aus Rußland kam. Der Dealer mit dem Namen Torres hätte sogar seine Adresse und Telefonnummer in Moskau mit angegeben. „Damit wären auch Ermittlungen in Moskau möglich gewesen, die zu den Quellen des Plutoniumschmuggels hätten führen können, und der gefährliche Lufttransport hätte verhindert werden können.“ Man habe es aber auf einen großen „Verhaftungs-Showdown angelegt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen