Wo geht der Astronaut aufs Klo?

■ 25 und kein bißchen erwachsen - "Die Sendung mit der Maus". Nur unter den Zuschauern sind inzwischen immer mehr Große. Ein Hoch auf ein Vierteljahrhundert Lach- und Sachgeschichten Aus Köln Reinhard Lüke

Wo geht der Astronaut aufs Klo?

Wenn Erziehungsberechtigte sonntags auf unschuldige Kinderfragen dumm aus der Wäsche gucken, ist es wahrscheinlich so gegen 12, und „Die Sendung mit der Maus“ lief gerade. Und da hat den Sprößlingen dann „der Armin“ oder der mit dem grünen Pullover und dem treuherzigen Dackelblick, „der Christoph“, die Welt erklärt. Oder zumindest ein Stück davon.

Wie die Birne in die Flasche kommt, der Sand an den Strand, wer die Streifen in die Zahnpasta malt, woher der Blitz kommt, wie spät es auf dem Mond ist oder wo der Astronaut aufs Klo geht.

Doch eigentlich gehört die Geschichte von den ob ihrer neunmalklugen Nachkommen genervten Eltern längst ins Reich der Anekdoten. Vor 15, 20 Jahren mag das mal so gewesen sein. Nach einem Vierteljahrhundert auf dem Bildschirm hat die vielfach preisgekrönte Kindersendung Kultstatus erlangt. Vom Pampers- bis zum Gebißträger hängen jeden Sonntag vormittag rund zwei Millionen bekennende Maus-Fans vor der Glotze. Für die Maus stellen sich auch Größere und Große sonntags den Wecker. Und anders als bei der „Lindenstraße“, die sich die einen eins zu eins, die anderen als Megatrash reinziehen, hat sie über all die Jahre ihre Unschuld nicht verloren.

Dabei war das Vieh, verglichen mit seinem US-Artgenossen Mickey, eigentlich schon bei seiner Geburt ein eher rührendes Fossil. Zumindest tricktechnisch gesehen. Mit wenigen Strichen zweidimensional aufs Papier geworfen und im animierten Bewegungspotential äußerst minimalistisch. Mundwinkel hoch hieß „Maus ist glücklich“, der Bogen nach unten gezogen, schlimmstenfalls garniert mit ein paar Kullertränen: „Maus hat Sorgen“. Die Schritte der staksenden Figur wurden mit zwei Kokosnußhälften vertont, die klimpernden Augenlider mit Hilfe von Kastagnetten. Daran hat sich bis heute nichts geändert, und geredet hat die Maus noch nie, nicht ein Sterbenswörtchen. Nicht zuletzt diese liebenswerte Antiquiertheit sichert ihr heute ihre Beliebtheit inmitten all der computeranimierten High-Tech-Kobolde, die auf allen Kanälen ihr Unwesen treiben.

Dabei stand am Anfang gar nicht die Maus, sondern das Brötchen. Es begab sich im Jahre 1969, als Armin Maiwald – „der Armin“ –, damals Regieassistent beim WDR, ein ungutes Gefühl beschlich: Da wählten die BundesbürgerInnen fortschrittlich SPD, wußten dank „Helga“ seit zwei Jahren endlich, woher sie kamen, und drei Amerikaner schickten sich an, die erste Pauschalreise zum Mond zu unternehmen; doch das gemeine Volk hatte keinen blassen Schimmer davon, wie die einfachsten Dinge des täglichen Lebens funktionieren. Den Schimmer hatte Maiwald auch nicht, aber dafür eine Idee: Warum sollte man diesen drängenden Fragen des Alltags nicht in Form von Minidokumentationen im Fernsehen nachgehen?

So kam's zur ersten „Sachgeschichte“ über den Weg des Brötchens vom Mehl in den Schlund des Endverbrauchers. Dieser und andere Spots liefen im WDR-Kinderfernsehen. Erst zwei Jahre später bastelte man eine eigene Sendung und hob mit der Maus eine stumme Moderatorin aus der Taufe.

Am 7.März 1971, immerhin noch vier Jahre vor der deutschen „Sesamstraße“, war es soweit: Die von dem Zeichner Friedrich Streich zum laufen gebrachte Maus führte zum erstenmal durch eine eigene Sendung. Die Maus hatte mehrere Mütter und Väter. Irgendwo allesamt 68er-beseelt, aber doch mit gesundem Mißtrauen gegen die Reformpädagogik und klar formulierten Lernzielen ausgestattet. Gert K. Müntefering ist einer von ihnen und immer dabei, wenn es um Anekdoten aus alten Zeiten geht. Da ist zum Beispiel die, wie die Sendung ihren Namen bekam. „Wir saßen da irgendwann in der Redaktion und rauften uns auf der Suche nach einem griffigen Titel die Haare, als irgendwer verzweifelt brüllte: ,Wie wollen wir diese verdammte Sendung mit der Maus denn nun nennen?‘ Das war's.“

Zu den anderen Kuriositäten aus frühen Maus-Tagen gehört der Umstand, daß die Sendung bei ihrem Start eigentlich illegal war. Denn Fernsehen für Kinder unter sechs Jahren zu machen war damals noch verboten. In der Überzeugung, daß der Flimmerkasten in zarten Kinderseelen nur Unheil anrichten könnte, hatten die Gesetzgeber einfach die Altersbegrenzung vom Kino fürs Fernsehen übernommen. In der Sorge, daß die Maus ganze Familien vom Kirchgang abhalten könnte, protestierten obendrein die Kirchen vehement gegen die unchristliche Sendezeit am Sonntag vormittag. Lang ist's her. Ein anderer Fauxpas kostet den WDR hingegen immer noch Jahr für Jahr Millionen. Die Verwertungsrechte an der Maus liegen nämlich noch immer bei einer Graphikerin namens Schmitt- Menzel. Die hat seinerzeit die Grobform der Maus für eine Bildergeschichte kreiert, danach aber nie wieder einen Pinselstrich für die Sendung getan. Und weil die Maus-Macher damals an alles mögliche, aber nicht an den bösen Kommerz im Sinne von Merchandising dachten, haben sie diesen lukrativen Aspekt glatt versemmelt. Aber irgendwie gehört ja auch das zur liebenswerten Maus-Nostalgie.

Die nächsten Maus- Termine: „Die Maus-Nacht“, Samstag ab 1.35 Uhr, und die offizielle „Maus- Geburtstagssendung“ („Kann man Luft wiegen?“): Sonntag, 11 Uhr (und diesmal eine volle Stunde), beides ARD. Das Filmmuseum Potsdam zeigt noch bis zum 5. Mai die Ausstellung „Maus Oleum“.

Fotos (von oben): SDR, Privat, Andreas Schoelzel, Gunther Reisp, DFF, K. Kimmig/ laif, Privat, WDR