Mann mit kleinen Geschichten

Gesichter der Großstadt: Der Schriftsteller und Preisträger Heinz Knobloch ist 70 Jahre alt geworden. Er setzte anderen literarische Denkmäler  ■ Von Jürgen Karwelat

Der Ort für die offizielle Geburtstagsfeier am Freitag abend war mit Bedacht gewählt. In der „Kunststätte Dorothea“ der Dorotheenstädtischen Buchhandlung genau gegenüber dem Moabiter Kriminalgericht war Heinz Knobloch seit 1984 häufig zu Gast, mal als Vorleser, mal als Teetrinker.

Heinz Knobloch, der im vergangenen Jahr zusammen mit Inge Deutschkron den Moses-Mendelssohn-Preis erhielt, hat sich seit über 15 Jahren gleichzeitig in die Herzen der Ost- und Westberliner geschrieben. Der Dresdner, der als Kind nach Berlin kam, war im Osten schon lange kein Geheimtip mehr. Seit 1968 hat er 1.000 Beiträge, immer von Wolfgang Würfel illustriert, als Feuilleton-Chef für die DDR-Wochenpost geliefert – kleine Geschichten, die das Leben schrieb, Fundstücke in einer großen Stadt, die uns etwas zur großen oder kleinen Geschichte Berlins erzählen. Seine Bücher fand man wegen der zu geringen Auflage eher in einem Wismarer Antiquariat als in Ostberliner Bücherstuben.

In seinem Buch über Moses Mendelssohn beschäftigte er sich mit der deutsch-jüdischen Geschichte, die in der DDR nahezu ignoriert wurde. Mit seinen Kurzgeschichten hat er sich häufig auf dem Grat zwischen Ost und West bewegt. Ganz auffällig war dies bei seinen „Wanderungen zu Fontanes Grab“. Ein Chronist geht seinen Weg, allen bürokratischen Hürden zum Trotz, bis er das Grab im unmittelbaren Grenzgebiet erreicht hat. Knobloch hat die einzelnen Schritte und kleinen Erfolge gegen die Bürokratie fein säuberlich mit verschmitztem Humor und Hintersinn aufgeschrieben.

1985 kam sein Buch „Meine liebste Mathilde“ heraus, in dem Knobloch das, wie er selbst schreibt, „unauffällige Leben“ von Mathilde Jacob erzählt. Mathilde Jacob war Rosa Luxemburgs Sekretärin und wohl beste Freundin. Sie starb 1942, 71jährig, wie viele Berliner Juden im Konzentrationslager Theresienstadt. Und wieder ist es nicht nur der Versuch, die fast ausgelöschte Geschichte einer deutschen Sozialistin und Jüdin nachzuvollziehen. Knobloch nimmt die LeserInnen mit auf die Reise in Berlins Archive und Zeitungsverlage, zu Hausecken und zur Oberfinanzdirektion, die makabererweise heute noch die Akten über die jüdischen Vermögen verwaltet, die die damalige Finanzverwaltung eingezogen hatte. Knoblochs „Mathilde“ war Anstoß für die Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten, den Vorplatz des Rathauses in der Turmstraße nach Mathilde Jacob zu benennen. Die CDU will die Umbenennung verhindern.

1990 erschien das Buch „Der beherzte Reviervorsteher“, mit dem Knobloch fast in wörtlichem Sinne dem mutigen Polizisten Wilhelm Krützfeld ein Denkmal gesetzt hat. Krützfeld, Vorsteher des Polizeireviers 18 am Hackeschen Markt, verhinderte am 9. November 1938, daß die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße von der SA angezündet wurde. Seit 1991 erinnert vor der Synagoge eine Gedenktafel an diesen Akt von Zivilcourage.

Die liebenswürdige Art des Schreibens, die Assoziationen und kleinen Gedankensprünge, das Suchen nach Verbindungen der Lebensstränge der geschilderten Menschen machen die Ausflüge in die Vergangenheit mit dem Autor so unterhaltend wie lehrreich. Für bibliophile Sammler stellt der Vielschreiber Knobloch allerdings ein Problem dar. Immer mal wieder kommt eine neue Zusammenstellung seiner Kurzgeschichten mit meist wenigen Neuveröffentlichungen heraus. Für Überschneidungen ist damit reichlich gesorgt. So wurde am Freitag abend die Sammlung „Mißtraut den Grünanlagen“ vorgestellt mit den angeblich wichtigsten, schönsten, fast schon klassischen Feuilletons.