Trotz Papst bleibt jedes zweite Bett leer

Tourismus-Branche hofft auf den Papst-Besuch im Sommer. Ansonsten wirbt Berlin auf der ITB nur zaghaft um neue Touristen. Baustellen und Länderfusion sollen Urlauber locken  ■ Von Bernd Kastner

Christi Stellvertreter soll Christo ersetzen. Ein Jahr nach der Reichstagsverhüllung hofft die Tourismusbranche auf die Zugkraft des Papstes. So mancher Berliner Hotelier betet schon jetzt, daß die Gläubigen länger bleiben als ihr Oberhaupt. „Der Papst kann wahrscheinlich nur schwer mit Christo mithalten“, meint Bernd Buhmann, Sprecher der Berlin Tourismus Marketing, aber der Besuch am 23. Juni ist Berlins größtes Ereignis in diesem Jahr.

Doch auch der Papst wird kaum für volle Betten sorgen. Denn das größte Problem der Branche ist: Von den 46.000 Hotelbetten bleibt das Jahr über im Schnitt mehr als jedes zweite leer. Trotzdem wird die Bettenzahl wegen neuer Hotels bis zum Jahr 2000 weiter steigen.

Ideen sind also gefragt. Auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB), wo sich Berlin in Halle 12 selbst anpreist, deuten sie sich aber nur zaghaft an. Wer wirklich Neues erwartet, wird enttäuscht: Die BVG stellt ihr erweitertes Stadtrundfahrtenprogramm mit Bus und Schiff vor. Ansonsten werben Theater mit ihren Programmen, Revuegirls für ihre Glamour- Shows, das Land Berlin mit dem Regierungsviertel und der umstrittenen Länderfusion.

Das Zentrum der Berliner Ausstellungsfläche ist rund. Mittelpunkt ist eine Cafeteria, wo an kleinen Tischen Aussteller mit ihren BesucherInnen Snacks einnehmen. Um das Rondell strömen die Massen. Auf einer Seite des Bistros drehen sich sechs illuminierte Säulen. Das Brandenburger Tor ist allgegenwärtig, nur die Quadriga oben fehlt – schon als nächste Sparmaßnahme? Auf der anderen Seite des Runds sind sechs überlebensgroße Figuren – von Bert Brecht bis Josephine Baker im Bananenröckchen – zu ersteigern. Auf der nächsten ITB werden sie nicht mehr gebraucht. „Für 1997 planen wir einen gemeinsamen Stand mit Brandenburg“, sagt Bernd Buhmann. Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation sei angesagt. Das künftige Miteinander ist bisher nur zu erahnen: Brandenburg ist erstmals Berlins Nachbar auf der Reisemesse.

Noch macht die Branche aus der Not eine Tugend: Der einstige Magnet Mauer ist weg, dafür sollen nun Baustellen locken. „Schaustelle Berlin“ heißt ein Video, das auf vier Monitoren gleichzeitig läuft. Da platschen Bau-Taucher ins Wasser des Potsdamer-Platz- Sees, entsteht das Berlin der Zukunft auf Computerbildern schon jetzt. Immerhin: Jeder dritte Tourist interessiere sich neben Kultur auch für Kräne, merkt Bernd Buhmann an.

Doch das bestens vermarktete Baggerloch ist nichts gegen spektakuläre Ereignisse. Das Jahr 1996 aber hat außer der Papst-Visite kaum etwas zu bieten. Also wollen viele an diesem einen Event verdienen. Es soll nicht isoliert angepriesen werden: Das Kombi-Angebot „Papst plus Spreewald“ etwa soll den Verbleib auch nach Johannes Pauls Segen schmackhaft machen. Und ist nicht die neue „Welcome-Card“ ideal für diese Tage? 48 Stunden lang für 29 Mark Bus und Bahn fahren, Ermäßigungen inklusive, vom Varieté bis zum Erotischen Museum.